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Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)

Titel: Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Autoren: Silvia Roth
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entnervt zurück. »Wieso nicht? Ich werde doch wohl wissen, wie es meinem Kind geht.«
    Sie sagte ganz bewusst: Kind, nicht: Tochter.
    »Aber du bist längst überfällig.«
    Na ja, längst  …
    »Einen Tag nach dem errechneten Geburtstermin halte ich durchaus für vertretbar.«
    »Also, meine  kamen alle mindestens zwei Wochen zu früh«, versetzte Madeleine.
    Weil du noch nie auf irgendetwas warten konntest, dachte Silvie. Das fängt beim Christkind an und hört bei Babys auf. Laut sagte sie: »Versteh mich nicht falsch. Ich wäre durchaus dafür, wenn die Sache jetzt langsam mal ein Ende hätte. Schon allein dieser Hitze wegen. Aber es bringt auch bestimmt nichts, wenn ich mich vor lauter Ungeduld verrückt mache, oder?«
    »Natürlich nicht«, lenkte ihre Schwester ganz entgegen ihrer Gewohnheit ein. »Aber sobald du das Gefühl hast, dass es losgeht …«
    »… rufe ich dich selbstverständlich an«, versicherte Silvie. Eine glatte Lüge, wie sie unumwunden zugeben musste. Allerdings auch eine angebrachte. Ihre Schwester war der letzte Mensch, den sie bei der Geburt eines Kindes oder bei einem sonstigen medizinischen Eingriff zugegen wissen wollte, auch wenn sie zweifellos eine hervorragende Ärztin war. Aber Ärzte in der Familie waren ein Thema für sich, wie Silvie aus langer, leidvoller Erfahrung mit ihrem Vater wusste, einem ebenso renommierten wie erfolgreichen Zahnarzt. So verständnisvoll sie andernorts auch sein mochten, so kategorisch sprachen Ärzte ihren Angehörigen alles ab, was irgendwie nach Selbstbestimmung oder auch nur nach einer eigenen Meinung roch: »Du hast Schmerzen? … Da??? … Das kann gar nicht sein! Da sind nicht mal Nerven!«
    »Es tut aber weh.«
    »Unsinn, du stellst dich nur an.«
    Silvie richtete den Blick auf die Lampe an der Decke, die sich langsam im Dämmerlicht des Raums manifestierte, und wartete darauf, dass ihre Schwester etwas sagte. Doch das Warten schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen.
    »Bist du noch dran?«, erkundigte sich Madeleine nach einer Weile folgerichtig.
    »Klar. Ich hab nur nachgedacht.«
    »Worüber?«
    »Dass ich bald wieder zum Zahnarzt muss.«
    »Sag nur, du bist nicht mehr bei Papa?«, rief Madeleine entsetzt.
    »Doch, doch. Schon.«
    »Warum sagst du dann zum Zahnarzt ?«
    »Weil ich, ehrlich gestanden, nicht viel Väterliches an ihm entdecken kann, wenn ich bei ihm auf dem Stuhl sitze.«
    Das schien ihre Schwester zu überzeugen, denn sie gab einen Laut von sich, der wohl Zustimmung signalisieren sollte. »Und bei euch?«, fragte Silvie, der Gesundheitsthemen in ihrer momentanen Situation entschieden zu unbequem waren.
    »So weit ganz gut.«
    Oje  …
    Das würde zweifellos eine längere Angelegenheit werden!
    »Bis auf die Tatsache, dass Costas seit neuestem …«
    »Warte mal«, fiel Silvie ihrer Schwester ins Wort, als ihr eine Veränderung an der gegenüberliegenden Wand auffiel. Eine flüchtige Bewegung, als ob etwas für einen kurzen Moment das spärliche Licht verdunkelt hatte, das durch die Terrassentür fiel.
    »Was ist?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Silvie, wobei sie sich erstaunt dabei ertappte, zu flüstern. »Ich rufe dich gleich zurück, ja?«
    »Aber …«
    »Bis gleich.«
    Sie unterbrach die Verbindung und lauschte, doch sie konnte nichts hören. Trotzdem empfand sie auf einmal eine diffuse Angst. Die sommerliche Stille des Hauses hatte von einem Augenblick auf den anderen etwas Lauerndes, ohne dass Silvie etwas fand, woran sie ihre Beklemmung festmachen konnte.
    Eigenartigerweise fiel ihr ausgerechnet jetzt der Kerl aus
dem Supermarkt ein. Der, der bei den Regalen gestanden und sich flüchtig zu ihr umgedreht hatte. Ihr war vollkommen klar, wie absurd der Gedanke war. Trotzdem jagte er ihr augenblicklich eine Welle von Angst durch den Körper.
    Mach die Tür zu! Scheiß auf die Hitze! Immerhin streift irgendwo dort draußen noch immer ein Vergewaltiger herum.  Ein  Jäger …
    Hendrik nannte ihn so. Jäger, oder auch: Bestie.
    »Gib acht auf dich«, mahnte er jeden Morgen, bevor er zur Arbeit fuhr. »Vor allem pass auf, dass nach Einbruch der Dunkelheit kein Fenster offen steht, hörst du? Jedenfalls nicht mehr als auf Kipp, versprochen?«
    Sie versprach es ihm jeden Tag aufs Neue, um ihr Versprechen jeden Tag aufs Neue wieder zu brechen. Und üblicherweise hatte sie nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Hendrik war einfach überängstlich in allem, was seine Familie betraf, da halfen
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