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Historical Weihnachtsband 1990

Titel: Historical Weihnachtsband 1990
Autoren: Heather Graham
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würde ihre Kinder verwöhnen, wenn sie zum Fest hier sind. Wenn Sie wollen, schneide ich Ihnen ein paar Sahnebonbons, sobald die Masse erkaltet ist."
    „Das wäre sehr schön." Gleichzeitig belustigt und von ihrem unschuldigen Charme gerührt, lächelte er. Er war Frauen gewöhnt, die komplizierte Spiele spielten und rühmte sich, es ihnen Punkt für Punkt gleichtun zu können. Doch der klare Blick in Marys braunen Augen enthielt weder List noch Tücke, sondern nur echte Freude, daß sie zu Gefallen sein durfte. Er folgte einer plötzlichen Regung und lud sie erneut ein, ihm Gesellschaft zu leisten, doch wieder lehnte sie ab.
    „Nein, wirklich, das geht nicht. Nicht in diesem alten Kleid, das von oben bis unten mit Sirup vollgespritzt ist."
    Nachdem Mary die Aufmerksamkeit darauf gelenkt hatte, betrachtete er ihr Kleid.
    Bis dahin war es ihm nicht aufgefallen, da andere Eindrücke wichtiger gewesen waren, doch nun stellte er fest, daß es ungewöhnlich einfach war. Das Kleid hatte ein weißes Oberteil mit hohem Kragen und einen dunklen Wollrock. Etwas an seinem Schnitt kam Gates ungewohnt vor. Kurz überlegte er, dann wußte er, was es war. Die derzeitige Mode verlangte volle Turnüren, doch der Rock dieses Kleids fiel glatt von Marys Taille bis zum Boden, was ihrer schlanken Gestalt eine Zartheit verlieh, die er nicht nur erfrischend, sondern auch erstaunlich anziehend fand.
    „Ihr Kleid gefallt mir", bemerkte er deshalb und nickte bekräftigend. „Wenn Sie es auf der Straße trügen, würden Sie vielleicht einen Wandel der Mode herbeiführen, wahrscheinlich sogar einen willkommenen."
    „Mr. Gates, Sie sind zu liebenswürdig. . ." begann sie, und ihre Wangen glühten. In dem Augenblick war ein Geräusch zu hören, das dem Aufprall eines Stapels von Ziegelsteinen auf den Fußboden im darüberliegenden Stockwerk nicht unähnlich war. Beim Anblick von Gates' Miene mußte Mary lächeln. „Das ist Grandfather", erklärte sie. „Sein Zimmer ist direkt über uns. Wenn er während der Mahlzeiten etwas wünscht, klopft er mit seinem Stock auf den Fußboden."
    Der Brummbär . . . Ihn hatte Jack vergessen. Da fiel ihm ebenfalls ein, was Gray und Eveline über Mary gesagt hatten, nämlich, daß sie gern zu Hause bleiben würde. Sie hatten überzeugt geklungen, doch er konnte sich nicht vorstellen, daß jemand Krankenpflege dem Vergnügen vorzog. „Er muß hohe Anforderungen stellen. Das ist kein allzu schönes Leben."
    Er hatte mitfühlend sein wollen, doch Mary reagierte abwehrend. „Ich beklage mich nicht", sagte sie und richtete sich auf. „So schlimm ist Grandfather auch nicht."
    „Ich meinte ja nur . . ." Die Ziegelsteine fielen erneut, lauter und beharrlicher diesmal. Wie beim erstenmal zuckte Jack Gates unwillkürlich zusammen. „Nicht so schlimm, wie?" Zweifelnd hob er die Brauen. Sie wollte es bereits leugnen, doch dann überraschte Mary sie beide, indem sie statt dessen laut lachte. Zuerst beobachtete Gates sie dabei, dann fiel er in das Gelächter mit ein. Der alte Mann mußte sie gehört haben, denn mit dem Stock klopfte er ein durchdringendes Stakkato.
    „Ich gehe lieber", meinte Mary und lächelte bedauernd. „Falls Sie etwas brauchen, klingeln Sie einfach nach Emily."
    Er lauschte ihren sich entfernenden Schritten nach. Der letzte Bissen seines Brötchens lag immer noch unangetastet auf dem Teller. Den steckte er sich nun in den Mund, doch obwohl es seinen Geschmack nicht eingebüßt hatte, war er in Gedanken nicht mehr dabei. Er dachte an das Mädchen, dessen Lachen ihm noch in den Ohren klang. Junge Frau, verbesserte er, denn sie war über die erste Blüte hinaus. Aber obwohl der ganze Haushalt auf ihren Schultern lastete, hatte sei etwas an sich, das sie sehr jung und unschuldig wirken ließ.
    Mary faszinierte ihn. Gray hatte sie ihm als alte Jungfer beschrieben, und nach dieser Darstellung hatte er ein prüdes und trockenes Wesen erwartet. Soweit er jedoch feststellen konnte, war sie nichts dergleichen.
    Nachdenklich hob Gates seine Tasse an die Lippen und trank, während er die Vorzüge Mary Hillyers erwog. Es hieß, daß stille Wasser tief wären. Was er wohl entdecken mochte, wenn er in ihre Tiefen vordringen würde? Vielleicht nur ein nettes, einfaches, ruhiges Kleinstadtmädchen, von dem er sagen würde, daß es nicht sein Fall wäre. Er fühlte sich von Weltklugheit und Stil angezogen, denn eine Frau mit solchen Eigenschaften konnte seine Stellung verbessern.
    Mary Hillyer fehlte beides,
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