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historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc

historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc

Titel: historical gold 036 - Der Flug des Falken.doc
Autoren: kram
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Rohese stand dem Konvent auf Anweisung des Ordens vor und war nicht von der Schwesternschaft frei gewählt worden. Deshalb war sie auch nur Priorin und nicht Äbtissin.
    Meriel dachte daran, wie schnell die Zeit vergangen war, und seufzte leicht. Aus der Erwägung, sie würde eines Ta ges den Schleier nehmen, hatte der Vater sie im Alter von zehn Jahren als Zögling zu den Benediktinerinnen nach Lambourn geschickt. In den folgenden fünf Lenzen hatte sie mehr Zeit mit den Klosterfrauen verbracht denn in Beaulaine bei der Familie und war im letzten Sommer Novizin geworden. Sie fühlte sich in Lambourn und der Gemeinschaft der Nonnen wohl, konnte sich indes, je näher die Stunde des Keuschheitsgelöbnisses rückte, immer weniger vorstellen, den Rest des Lebens in klösterlicher Abgeschiedenheit zu verbringen.
    Da Mutter Rohese wusste, wie sehr das junge Mädchen die Unabhängigkeit liebte, entsandte sie Meriel de Vere häufig in den Weiler oder zum Gutshof, um ihr die Rastlosigkeit etwas zu nehmen. Meriel fragte sich indes, ob sie innerlich auch so unruhig wäre, stünde der Tag der Ewigen Gelübde nicht so kurz bevor.
    Nicht gewillt, die Ungebundenheit mit bedrückenden Erwägungen zu belasten, verdrängte sie die Gedanken, raffte den wollenen schwarzen Rock und setzte sich mit unterge schlagenen Beinen ins Gras. Verträumt schaute sie dem noch nicht zur Beize abgerichteten Falkenweibchen zu. Nach dem rostroten Rückengefieder hatte sie den Merlin Rouge genannt.
    Zum einen hatte sie nicht die Zeit für die langwierige Erziehung, zum anderen war eine solche Betätigung für eine Novizin ohnehin äußerst unpassend. Meriel genügte es, Rouge zu besitzen, und nahm sie gern auf diese Ausflüge mit. Der Waldhüter von Beaulaine hatte den halbverhungerten Ästling im Lenz gefunden und Meriel den Jungvogel überlassen. Sie hatte ihn aufgepäppelt und wieder zu Kräften gebracht. Nun folgte er ihr auf Schritt und Tritt, wo immer sie sich aufhielt, und hatte sich sogar schon während des Gebetes in die Kirche verflogen. Mittlerweile war er ein verspielter Wildfang, zutraulich und anhänglich und der Liebling aller im Kloster.
    Nachdem er sich eine Weile mit dem Wind hatte treiben lassen, flatterte Rouge vielleicht zwanzig Fuß über der Wiese mit knappen Flügelschlägen, den kurzen, weißgerandeten Schwanz breit gefächert, den Hals leicht nach unten gekrümmt, und hielt Ausschau nach einem arglosen Opfer. Unter den zahlreichen Arten der Greifvögel, den Habichten, Falken, Aaren, Milanen, Bussarden und Weihen, wur den bei der Jagd auf kleineres Wild besonders gern die Weibchen der Sperber und die der Merline, Saker, Schmirlen und Turmfalken verwendet, da sie leichter abzurichten, schnell, gewandt und sehr angriffslustig waren und selbst noch Wildgänse im Fluge schlugen.
    Lächelnd zupfte Meriel eine Rispe aus, steckte den Halm in den Mund und überlegte, wie herrlich es sein müsste, ein Falke zu sein, frei und ungebunden durch die Lüfte segeln zu können, getragen von kraftvollen Fittichen, und wie ein Pfeil herabzustoßen, um die Beute zu ergreifen. Sich schüttelnd, verscheuchte sie rasch die Vorstellung, wie wohl ein Grashüpfer schmecken mochte, schlang die Arme um die Knie und sah Rouge noch einige Zeit zu, bis der Merlin die gefangene Maus gekröpft hatte. Widerstrebend nahm sie dann Gebende und Wimpel und stand auf. Die Hände um den Mund legend, rief sie lockend: „Timpen! Tampen!
    Timpentampen!"
    Der Merlin antwortete dem Ruf, erhob sich und flog herbei. Von der ausgestreckten, behandschuhten linken Faust flatterte er auf die Schulter, und unwillkürlich zuckte Meriel zusammen, als die scharfen Krallen durch den härenen Stoff drangen. Mit eigenartigen Lauten nahm Rouge das Ohrläppchen in den scharf gebogenen Schnabel und kniff sanft zu. Meriel lächelte, kraulte dem Falken zärtlich das Köpfchen und blickte zum Himmel. Stirnrunzelnd sah sie, dass die Sonne bereits sehr tief stand. Falls sie sich jetzt nicht sputete, würde sie zu spät zur Vesper kommen.
    Um Zeit zu sparen, wählte sie den kürzesten zur Priorei führenden Weg, einen zwischen dichtem Gehölz verlaufenden Pfad. Im Schatten der Bäume voranhastend, begann ihr durch die Anstrengung warm zu werden, und keuchend klomm sie weiter.
    Auf der Kuppe des Hügels angekommen, hielt sie atemlos an und ließ den Blick über die weite Ebene schweifen. Alles wirkte friedlich, denn dieser Teil des Landes hatte unter den kriegerischen Auseinandersetzungen der
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