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HISTORICAL EXCLUSIV Band 23

HISTORICAL EXCLUSIV Band 23

Titel: HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Autoren: MARIE-LOUISE HALL LAURIE GRANT
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verbrannten Hände und ihre ausgedörrten Lungen. Sie wollte sich nicht mehr bewegen und überhaupt nichts mehr denken … sie wollte für immer hierbleiben, sich in die weiche, ein bisschen nach Moder riechende Erde schmiegen … aber sie durfte es nicht. Sie musste doch die Königin warnen!
    Die Königin. Wie spät mochte es wohl sein? Es war noch hell, nein, es wurde gerade wieder hell. Sie war offensichtlich die ganze Nacht hindurch bewusstlos gewesen. Und das bedeutet, dass heute Freitag war …
    Seraphina kroch aus ihrem Versteck und zog sich mühsam empor, bis sie wieder auf den Füßen stand. Wenn sie sich nach Osten wandte, direkt auf die aufgehende Sonne zu … sie klammerte sich an einen jungen Baum, als die Beine unter ihr wegknicken wollten, und zwang sich, die frische Morgenluft in tiefen Zügen einzuatmen, bis Himmel und Bäume aufgehört hatten, sich wie ein Kreisel um sie zu drehen. Sie musste doch zum Palast gehen … sie musste unbedingt …
    Etwa drei Stunden später erreichte Seraphina endlich die Tore von Whitehall. Sie fiel mehr von der klapprigen Karre, als dass sie hinunterkletterte. Der bejahrte Fuhrmann, der noch älter aussah als seine zwei im Schneckentempo dahintrottenden Ochsen, die vor den Wagen gespannt waren, schaute ungerührt zu, wie Seraphina mitten im Schmutz der Landstraße zu Boden ging. „Du kannst da nicht reingehen, Mädchen“, murmelte er mit seinem zahnlosen Mund.
    „Ich muss aber …“, keuchte Seraphina, während sie sich wieder aufrappelte. „Und vielen Dank auch noch. Hier, nehmt das.“ Sie zog die Ohrgehänge von ihren Ohren, denn sie hatte nichts anderes von Wert bei sich, und drückte sie dem Alten in seine knorrige Hand. Sie würden mehr Geld bringen, als er ein Leben lang verdient hatte, aber ihm gebührte dieser Dank. Wohl ein Dutzend andere Kutschleute waren an Seraphina vorübergefahren, als sie erschöpft am Rande des Weges lag, unfähig auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Sie hatten mit den Peitschen auf die Pferde eingeschlagen, ohne Zweifel aus Angst davor, dass es sich um eine an der Pest oder an irgendeinem anderen schlimmen Übel Erkrankte handelte und die Gefahr bestand, sich bei ihr anzustecken.
    Seraphina hörte die gestammelten Dankesworte des Alten nicht mehr, denn ihre ganze Kraft war von der Anstrengung in Anspruch genommen, die wenigen Schritte bis zum Dienstboteneingang zurückzulegen und dann die schier endlos scheinenden Stufen emporzuklettern, bis sie das düstere Labyrinth von Treppenschächten und Korridoren erreicht hatte, die sich unendlich zu dehnen schienen. Lakaien liefen an Seraphina vorüber und schauten sie neugierig an, doch sie wurde ihrer kaum mehr gewahr. Sie war zu erschöpft, um auch nur daran zu denken, irgendjemanden um Hilfe zu bitten.
    Die Königin! Das war das Einzige, was zählte. Sie musste zur Königin gelangen, und dann konnte sie endlich ausruhen, in die Dunkelheit am Rande des Bewusstseins versinken. Und so taumelte sie weiter, ihre Beine steif und gefühllos, sodass jeder Schritt ein peinigendes Hämmern in ihrem schmerzenden Kopf hervorrief.
    Bei dem Klirren von Hellebarden, das in ihrem gequälten Kopf widerhallte, fuhr sie zusammen. Hellebarden, Wachen … die Gemächer der Königin. Gott sei’s gedankt! Seraphina lehnte sich an die Wand und versuchte, mit ihren ausgetrockneten, entzündeten Lippen Worte zu formen.
    „Verschwindet hier!“, schimpfte einer der Wächter. „Das ist kein Ort für Schlampen wie Euch.“
    Erst jetzt wurde Seraphina bewusst, wie schrecklich sie aussehen musste mit dem von Rauch und Ruß geschwärztem Haar und Antlitz und den verbrannten Händen, die Kleider versengt, zerrissen und schmutzig. „Bitte …“, krächzte sie heiser. „Bitte, ich muss die Königin sprechen. Es geht um Leben und Tod …“
    „Nun, es würde unser Tod sein, wenn wir Euch hereinließen. Also, verschwindet jetzt.“
    Mutlos sank Seraphina auf den Boden nieder und vergrub den Kopf in den Händen.
    „Was geht hier vor?“
    „Mary!“ Mit einem heiseren Freudenschrei hob Seraphina den Kopf. „Dem Himmel sei Dank … Ihr müsst mir helfen, zur Königin zu gelangen.“
    Einen Augenblick starrte Mary sie ratlos an, doch dann hellte sich ihr Antlitz auf. „Seraphina! Wo kommt Ihr her? Wir dachten schon … Richard glaubt, Ihr seid tot!“
    „Bitte“, flehte Seraphina, als Mary ihr wieder auf die Füße geholfen hatte, „es ist jetzt nicht die Zeit, um lange Erklärungen abzugeben. Ich muss die
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