Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
Autoren: Regine Kölpin
Vom Netzwerk:
aufwecken. Die Magd schlief neben dem Feuer auf der Bank, sie war wohl zu müde gewesen, um sich noch in ihre kleine Kammer neben der Küche zu schleppen. Hinrich schenkte sich einen Becher Dünnbier ein und schaute, ob noch ein Stück Käse in der Vorratskammer lag. Seit die Holländer an der Burg waren, gab es wesentlich mehr Auswahl an Lebensmitteln und Dingen für den täglichen Bedarf. Es kamen mehr und mehr Flüchtlinge, und Hebrich von Knyphausen nahm die neuen Untertanen gern und großzügig auf. Es wurde immer enger auf dem Burghof, die angegliederte Wagenstadt würde bald nicht mehr auf das Gelände passen. Er musste eine Lösung für das Problem finden.
    Es hämmerte hinter seiner Stirn. Lösung … Lösung … Er musste immer für irgendetwas eine Lösung finden.
    Hinrich schob sich das Käsestück in den Mund. Es schmeckte köstlich, der Käser verstand sein Handwerk. Noch während er kaute, ging er wieder zum Fenster und schaute hinaus. Die Äste der wenigen Bäume tanzten im leichten Wind auf und nieder, es wirkte beinahe, als winkten sie ihm zu, er möge hinauskommen. Raus in den frühen Morgen, dorthin, wo er den Schrei gehört hatte. Hinrich strich sich über die müden Augen. Er wurde wirklich langsam etwas wirr. Er sollte schlafen gehen, schließlich musste er einen klaren Kopf behalten. Bestimmt hatte nur der Wirt der benachbarten
Krocht
einen Gast lautstark vor die Tür gesetzt.
    Hinrich leerte den Becher Bier in einem Zug, rülpste und wollte eben wieder zurück in die Kammer gehen, als er aus dem Augenwinkel einen Schatten wahrnahm. Er konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Nur dass die Gestalt in ein dunkles Tuch gehüllt war und gebückt in der Dunkelheit verschwand. Kurz darauf war ihm, als schaue ihm eine Fratze direkt ins Gesicht.
    Hinrich legte seinen Kopf an die Scheibe, dabei kitzelte ihn sein Bart. Elske war hinter ihren Mann getreten, fasste ihn bei der Hand und zog ihn sacht ins Schlafgemach zurück. Er ließ sich von ihr führen, ließ zu, dass sie ihn zudeckte und mit dem Handrücken über sein Gesicht strich. »Schlaf«, sagte sie. »Rothmann wird schon kommen. Warte nur, er wird kommen.«
    Dankbar drückte Hinrich die Hand seiner Frau. Wann hatte er das letzte Mal bei ihr gelegen? Es war lange her, die Pflicht fraß ihn auf.
    »Rothmann wird kommen«, wiederholte Elske. »Und nun schlaf noch etwas, die Nacht ist bald herum. Die Bienen warten noch nicht, und das Vieh auch nicht.«
    Sie rückte ihre Haube zurecht und legte sich auf die Seite. Es dauerte nicht lange, bis er an ihren gleichmäßigen Atemzügen hörte, dass sie wieder fest eingeschlafen war. Hinrich starrte noch eine lange Zeit gegen die Decke und fiel dann in einen unruhigen Schlaf.
    Der Knabe rieb sich die müden Füße, verharrte an einer Narbe an seiner rechten Fessel. Wenn das Wetter umschlug, schmerzte sie.
    Am Horizont zeigte sich das erste Licht des Tages, malte ein sanftes Rot an den Himmel. Er war weit gelaufen heute, hatte außer dem Huhn nichts weiter zu essen gefunden. Sein Bauch krampfte, es war nicht gut, Tiere ohne Feuer zu essen. Nun saß er versteckt im Gras, versuchte sich klein zu machen. Das war schwierig, denn er war von großer und kräftiger Statur, fast so groß wie der Mann mit der lauten Stimme und dem Bart, zu dem die Menschen hier aufblickten. So wäre er auch gern gewesen, doch er konnte nur krächzen, und seine Arme und Beine waren zu lang und ungelenk.
    Er sah immer wieder zum Hof, hoffte, dass das Weib kam. Manchmal schöpfte sie etwas Rahm ab, sah sich aufmerksam um, ob es auch keiner bemerkte, und stellte ihm eine irdene Schale an die Stallecke.
    Der Knabe hörte etwas, sah die Katzen aus allen Ecken heranschießen. Sie verteilte die Milch, stellte eine Schale etwas erhöht auf das Sims und sah sich wie immer ängstlich um. Fast so, als habe sie Angst, ihm tatsächlich zu begegnen. Der Knabe wusste nicht, ob sie ihn erwartete, freute sich aber jedes Mal, wenn sie an ihn dachte und er sein Almosen abholte. Manchmal zog sie noch einen Kanten Brot aus dem Ärmel und legte ihn neben die Schale. Auch jetzt hatte er Glück.
    Der Knabe wartete einen Augenblick, glitt dann mit einer Geschmeidigkeit, die es mit der der Hofkatzen durchaus aufnehmen konnte, zum Sims und steckte das Stück Brot ein. Danach schlürfte er die Schale leer und fuhr noch einmal mit der Zunge über ihren Boden, genoss den sahnigen Geschmack, den er vielleicht erst morgen oder auch erst, wenn die Sonne ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher