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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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diesen
Wahnsinnigen. Das ist absolut lebensgefährlich, was die Leute da treiben, aber
das brauch ich euch ja nicht erzählen.«
    »Und du meinst, jetzt kraxelt hier im Hochgebirge einer in einen
Schneetrichter rein?«, fragt Aschenbrenner.
    »Manchmal möchst schon verzweifeln an der Menschheit«, antwortet
Grundner. »So dumm kann etwas gar nicht sein, dass es nicht einer versucht. Und
dann hängen s’ drin, und wenn s’ Glück haben, haben sie ein Handy dabei, und
wir ziehen sie wieder raus. Dass wir dabei selbst unsere Haut riskieren, daran
denken die wenigsten.«
    »Vielleicht ist ihm ja gar nichts passiert, vielleicht kraxelt der
immer noch da drinnen herum«, meint Aschenbrenner.
    »Und das abgeschnittene Seil?«, fragt Brandner von der alpinen Einsatzgruppe
der Polizei. »Der hat sich doch nicht selbst das Seil durchgeschnitten.«
    »Du meinst, ein anderer hat das Seil durchtrennt? Mein Lieber, das
wär ja, das wär ja direkt …«, stottert Aschenbrenner.
    »Jetzt mal ganz langsam. So weit sind wir noch nicht. Wenn
jedenfalls einer da unten ist, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihm
hinterherzuklettern.«
    Grundner kümmert sich um die Kletterseile, die im Hubschrauber
hergebracht wurden, legt den Gurt und die Stirnlampe an. Er schlägt einen Keil
in den Felsen und lässt sich von den anderen beiden beim Abseilen in die
Randkluft helfen.
    »Ja mi leckst am Arsch«, sagt Aschenbrenner bewundernd und heilfroh,
dass er nicht selbst da hinunterklettern muss.
    Per Funkgerät hält Grundner Kontakt mit den Männern oben.
    »Der Trichter ist tatsächlich der Eingang zu einer Höhle«, meldet
er. »Da geht’s richtig weit runter. Unten ist eine riesige Halle, von der
zweigt ein breiter Schacht ab. Moment, da unten leuchtet etwas, ganz schwach.
Könnte eine LED -Lampe sein.«
    Oben hören sie ihn »Hallo! Hallo?« schreien, dann: »Da unten bewegt
sich nichts. Wir müssen da runter, Martin. Gib dem Hubschrauber Bescheid, dass
wir die Seilwinde brauchen.«
    »Christoph 17«, der Einsatz-Hubschrauber aus Traunstein, braucht
keine fünfzehn Minuten, bis er über dem Trichter in der Luft steht. Die drei
Männer sehen zu, wie langsam eine Motorwinde herabgelassen wird.
    »Also dann, pack ma’s an! Sepp, bleibst du noch da, falls irgendwas
passiert und wir dich brauchen?«
    Aschenbrenner nickt. Brandner hat schon seinen Gurt angelegt. Er
wird sich nach Grundner abseilen.
    »Hundertzwanzig, hundertdreißig, hundertvierzig, hundertfünfzig
Meter«, meldet der Bergwachtler. Aschenbrenner starrt auf das Funkgerät in
seiner Hand, als würde es ihm gleich Livebilder der Abseilaktion übertragen.
Von oben sieht er nichts als die Öffnung und den Schnee, der den Trichter
füllt.
    »Stopp«, ruft Grundner, und Aschenbrenner bringt die Seilwinde zum
Stehen. Dann hört er nur noch ein Knacken.
    Aschenbrenner wartet. Er dreht sich um zum Göllgipfel, über den
gerade die Sonne steigt. Von einer Felskante schräg über ihm sieht ein
Augenpaar neugierig auf ihn herunter. Aufgestellte Ohren, spitze Hörner, eine
weiße Blässe zwischen Nase und Stirn, die Nüstern nach ihm ausgerichtet. Eine
Gämse beobachtet ihn. Aschenbrenner bewegt sich nicht. Dann dreht sich das Tier
um, und über der Kante erscheint ihr Kitz, mehr Neugier als Angst in den Beinen.
Dann springt es hinter dem Fels davon, und die Geiß muss hinterher.
    »Was ist los bei euch?«, fragt Aschenbrenner ins Funkgerät. »Habt
ihr irgendwas?« Er wartet.
    »Ja«, antwortet Grundner. »Er war nicht zum Übersehen.«
    »Und?«, fragt Aschenbrenner.
    »Der is hin. Und wir haben Glück, dass er so gut verpackt ist. Zu
was so eine Wanderausrüstung alles gut ist.«
    Martin Brandner steht bei dem toten Bergsteiger, der am Boden der
bestimmt hundertfünfzig Meter tiefen Höhle liegt. Nach hinten öffnet sich ein
breiter Schacht in nordwestlicher Richtung. Brandner stellt das Funkgerät aus,
bevor er seiner Anspannung Luft macht und leise vor sich hinflucht. Das muss
der Aschenbrenner Sepp nicht mithören, so viel Respekt vor dem Toten muss sein.
Aber raus muss es doch, denn das war jetzt keine lustige Kletterpartie hier
hinunter. Wenn du da nicht absolut schwindelfrei und ein sicherer Kletterer
bist, kannst du einpacken.
    Der Tote liegt auf dem Rücken, die hellen Augen sind geöffnet, in
der Bewegung erstarrt wie eine stehen gebliebene Uhr. Ein kräftiger,
durchtrainierter Mann. Sein Schädel ist geborsten, er liegt in einer Lache aus
Blut und einer klaren
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