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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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du geworden, du Ex-Heli-Flieger. Muss ich jetzt auch noch mein
Geld nachzählen?«
    »Hey, hey, hey, beruhige dich, Lubotschka.«
    »Nenn mich nicht so! Du bist nicht mein Freund!«
    »Ich bin dein Freund, Mädchen. Und ich kann dir helfen. Mit dem
Papier der Alten. Vielleicht weißt du ja gar nicht genau, was sie dir da
gegeben hat. Ich hab da so eine Idee. Und vielleicht war ich tatsächlich beim KGB oder habe Freunde, die dabei waren. Die kriegen
alles raus. Die haben Kohle und sind immer noch richtig mächtig. Glaub’s mir.
Du wirst vielleicht noch Freunde brauchen.«
    »Was weißt du schon, Klugscheißer. Ich bin bisher ganz gut ohne dich
zurechtgekommen. Ich brauche niemanden. Und wenn, dann bestimmt nicht so einen
Betrüger wie dich.«
    »Mädchen, wenn ich noch meine Agentenkamera hätte, dann hätte ich
das Ding schon abfotografiert, und bis du dahinterkämst, was es mit der
Zeichnung auf sich hat, wäre ich schon über alle Berge und hätte den Schatz
gehoben.«
    »Was für einen Schatz, du Idiot? Bist du jetzt übergeschnappt?«
    »Na ja, ich nehme an, es ist eine Art Landkarte, die du da bekommen
hast. Und irgendwas wird an dem Ort sein, der darauf eingezeichnet ist. Wozu
sonst so eine handgezeichnete Karte? Vielleicht ist nur das Silberbesteck der
Herrschaft, bei der Mila gearbeitet hat, dort versteckt, vielleicht eine Kiste
mit den Briefen ihres Liebhabers … Aber irgendetwas Wertvolles wird es
sein, wenn die Alte, pardon, Mila, dir das mitgibt und du so ein Geheimnis
draus machst.«
    »Du hast sie doch nicht mehr alle.« Luba ist aufgesprungen und hängt
sich ihren Rucksack um.
    »Ich stehe in deiner Schuld, Mädchen, und ich kann dir wirklich
helfen. Überleg’s dir. Wenn du mich brauchst, findest du mich im Café Maxim, am
Andreassteig. Wenn ich in der Stadt bin.«

Kiew, 2. Mai 2010
    Kaum ist sie wieder in der Stadt, schon ist das Leben kompliziert. Luba
fährt langsam durch die Steigungen und Täler der Altstadt. Von oben geht der
Blick über den Dnjepr mit seinen Brücken und Inseln hinüber auf die
Plattenbauten der Neustadt, in der sie wohnt. Wohnungen für drei Millionen
Menschen sind hier aufeinandergesetzt worden wie Legosteine. Wenn man sie von
der rechten Flussseite aus sieht, kann man sich nicht recht entscheiden, ob die
Neustadt mit ihrem davorliegenden Grüngürtel am Fluss nun Idylle oder Alptraum
ist. Am besten sieht man das ohne Emotionen. Es ist einfach ein Ort, an dem
sehr viele Menschen in fast identischen Behausungen leben.
    Sie hat Mila auf ihrer zweiten Reise durch die Zone kennengelernt.
Mila besaß damals noch das Pferd und hatte einen Wagen mit Gummireifen
angespannt. Ein Fahrzeug auf einer der Niemandsstraßen! Das Pferd hatte
gescheut, als Luba mit ihrer Ninja im größtmöglichen Abstand überholte; sie
stieg ab und half Mila, das Pferd zu beruhigen. Mila nahm sie mit in ihr
Häuschen zu ihrem Mann. Alexej war viel älter als Mila, aber er schien gesund.
Die beiden wollten nicht weg aus ihrem Haus. Auch wenn Alexejs Wodka-Vorräte zu
Ende gegangen waren und er sich früher kein Leben ohne Alkohol hätte vorstellen
können. Eine Literflasche brachte Luba ihm von da an immer mit, aber sie
reichte nicht lange. »Man wird bescheiden«, sagte Alexej, wenn sie ihm den
Wodka in die Hand drückte. Beim ersten Schluck rannen ihm immer die Tränen
übers Gesicht. »Vor Freude«, wie er sagte.
    »Als es mit Alexej zu Ende ging, war kein Wodka mehr da«, sagte
Mila, »aber er war auch so tapfer.« Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Nur eines
sei ihm noch wichtig gewesen: der braune Umschlag, der jetzt in Lubas Rucksack
steckt. Als Mila ihn Luba in die Hand drückte, sagte sie: »Alexej hatte diesen
Umschlag unter einem Dielenbrett im Schlafzimmer versteckt gehabt all die
Jahre. Ich weiß zwar nicht, vor wem, aber so war er eben. Ich musste ihm
versprechen, dass ich so lange leben werde, bis du wiederkommst und ich ihn dir
geben kann. Und dann hab ich es ganz vergessen bei deinem letzten Besuch, ich
altes Mütterchen. Jetzt musste ich wieder Monate auf dich warten und hoffen,
dass ich durchhalte, bis du wiederkommst. So hätte vielleicht doch noch alles
einen Sinn, hat Alexej gesagt«. Luba wollte noch fragen, was es mit dem
Umschlag auf sich habe, doch als sie die Tränen in Milas Augen sah, die eigentlich
schon in eine andere Welt blickten, schien es ihr nicht mehr wichtig, und sie
griff nach Milas Hand, um sie zu trösten.
    Einmal, als sie Mila und Alexej besuchte, hatte Alexej
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