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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition)
Autoren: Ivonne Keller
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ihrer Seite gehabt, weil keiner sich vorstellen konnte, dass sie aus demselben Stall kamen. Die kleine Waldelfe und das Mauerblümchen. Heutzutage war es nicht anders. Silvie meinte, sie sei etwas Besonderes mit ihrem Job bei der Frankfurter Rundschau, wo sie vermutlich nichts anderes tat, als anderen mit ihrer Besserwisserei auf die Nerven zu gehen. Dabei hatte sie den Job nur über Papa bekommen. Nils den ganzen Tag in der Krippe, führte sie ein ruhiges Leben. Mit dem zweiten Kind würde es genauso zugehen. Hatte eine Putzfrau, die die Hausarbeit für sie erledigte. Bekam keine Anrufe von Ärzten, die um Rückruf baten.
    Anna strich mit beiden Händen ihr dunkles Haar hinter die Ohren – eins –, straffte die Schultern – zwei –, betrat mit einem Schritt den Supermarkt – drei – und zählte weiter jeden ihrer Schritte. Clara war als Kindergartenkind an sich schon zu groß für den Kinderwagen, aber ohne war an einen normalen Einkauf nicht zu denken. Überhaupt stellte ein normaler Einkauf eine immer größere Herausforderung dar. Allein die viele Zeit, die sie dafür benötigte! Erst einmal das Parken. Unter Umständen wartete sie eine halbe Stunde auf den freien Platz. Dann irrte sie durch die Gänge, so wie jetzt, um irgendwelche Produkte zu suchen. Auf das Zählen musste sie sich hierbei besonders konzentrieren. Zuerst alle Gänge auf der rechten Seite und zurück die auf der linken. Oft vergas sie das ein oder andere, dann ging es mit der ganzen Bande wieder auf die andere Seite, hin und her, bis sie endlich alles beisammen hatte. Ihre älteste Tochter Luna war auch keine große Hilfe, sie krallte sich ängstlich am Kinderwagen fest, so dass sie nicht nur diesen, sondern auch Luna schieben musste. Manchmal konnte sie nicht anders, als das Kind anzufahren, sie solle endlich einmal loslassen. Trotzdem griffen die kleinen Fingerchen immer wieder nach ihr, bis sie sie nahm und daraufschlug. Dann unterließ Luna es wenigstens. Und Emma, die bei allen Artikeln fragte: »Für was ist das hier? Wie viel kostet das? Darf ich das ins Netz legen?« Und gleichzeitig Clara, die permanent versuchte, aus ihrem Kinderwagen auszusteigen, sobald Anna an einem Regal stehen blieb – es war eine Tortur. Und dann die Kasse. Oh Gott, die Kasse! Schlangen überall. Manchmal lähmte es sie regelrecht, wenn sie vor der Auswahl der richtigen stand. Es musste die schnellste sein, allein schon wegen Clara. Doch egal, für welche Kasse sie sich entschied, es war immer die langsamste. So auch heute. Kaum hatte sie sich für eine entschieden – die Kassiererin kannte sie, sie war schnell, nicht so wie manch andere Trantüte, die im Zeitlupentempo die Artikel über den Scanner zog –, ging auch hier wieder alles schief. Anna legte ihre Waren aufs Band – eins – zwei – drei –, da war es auch schon so weit: Die Papierrolle war alle. Unmöglich konnte sie den Vorgang des Bandwechselns abwarten; fluchend räumte sie alles wieder ein und wechselte unter neugierigen Blicken hektisch zur Nachbarkasse, an der weniger Betrieb zu herrschen schien. Doch kaum hatte sie dort ihren Einkauf aufs Band gelegt, ging es an der vorherigen auch schon weiter, während an ihrer die Kassiererin zum Mikro griff: »Fünf acht drei. Artikelnummer fehlt.«
    War sie verflucht?
    Emma zupfte an ihrem Arm. »Ich muss mal!«
    Gerade hatte sie den letzten Artikel aufs Band gelegt.
    »Du siehst doch, dass ich erst noch bezahlen muss!«, versuchte sie die Beherrschung zu bewahren. Gleichzeitig meldete sich ein anderer Gedanke immer vehementer in ihrem Kopf – der Gedanke an die Nachricht ihres Arztes auf dem Anrufbeantworter, der sie um Rückruf gebeten hatte.
    »Ich muss aber ganz dringend!«, rief Emma.
    Als Annas Handy klingelte, warf sie einen hektischen Blick aufs Display; wie befürchtet, war es Matthias. Er hasste es, wenn sie nicht ranging. Doch sie konnte unmöglich rangehen! Die Kassiererin blickte sie erwartungsvoll an, die Artikelnummer war längst eingegeben, am Ende der Kasse türmten sich ihre Einkäufe, und das Handy bimmelte weiter. Die Leute hinter ihr begannen die Köpfe nach ihr zu recken, weil sie bewegungsunfähig auf den Boden starrte.
    »Geh doch mal zur Seite!«, schrie sie Luna schließlich an, die beständig an ihrer Jacke herumfummelte – wusste der Teufel, warum das Kind sie stets befingern musste und so nah an sie heranrückte! Sie schwitzte. Oh, verdammt noch mal, und wie sie schwitzte. Geldbeutel rausholen, Karte rausholen,
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