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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Autoren: Tobias O. Meißner
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hinwehte und den Teer schlüpfrig machte und trügerisch. Die verdammte Häuserfront war viel zu lang, viel zu weit, nicht einmal bis zur nächsten Kreuzung würde er lebend kommen, dahinten kamen schon die sieben heran, der schwarze Neufundländer mit unglaublichen Sätzen vorneweg. Japsend, die eine Hand in den blutenden Nacken gepresst, warf Hiob sich seitlich gegen die Klingelleiste eines sechsstöckigen Gebäudes. Irgendjemand musste doch da sein, musste aufmachen, musste einfach. Die Hunde kamen näher. In Panik hämmerte und trommelte Hiob auf sämtliche Klingeln gleichzeitig, gellte dann völlig außerhalb jeder Zurechnungsfähigkeit irgendetwas in den zögerlichen Knisterchoral, der zu wissen begehrte, wer da um Einlass störte. Die Hunde kamen näher, hatten die drei auf der Straße liegenden passiert. Jammernd warf sich Hiob immer wieder gegen die schwere Tür, die nur ganz oben riefelig verglast war. Endlich drückte irgendeine vertrauende Seele den Knopf. Die Tür schnappte auf, Hiob strauchelte hindurch, warf sich von innen dagegen und hielt die Tür zu gegen den selbstmörderischen Anderthalb-Zentner-Ansturm des Neufundländers, der die gesamte obere Türverglasung bersten ließ und wie Schrapnellgeschosse der Länge nach durch den Durchgangsflur feuerte. Ein knirschender Riss bildete sich in der Tür, und Hiob – den Kopf eingezogen, aber die Haare dennoch voller Glas – wunderte sich über seine eigene Körperkraft in Augenblicken der Not, denn die ihm das Leben gerettet habende vertrauende Seele drückte immer noch vertrauend den Löseknopf. Jetzt erst hörte sie auf, die Türarretierung hakte richtig ein, und die übrigen sechs Teufel sprangen jenseits daran hoch und kratzten und kläfften und markierten mit gelblichem Speichel. Dann kam auch der Neufundländer – weit davon entfernt, tot oder benommen zu sein – dazu, und der Riss in der Tür fing obszön an zu klaffen.
    Hiob sah sich im Briefkastendurchgang um. Nicht nach oben. Nicht in eine der Wohnungen, das war eine Sackgasse und bedeutete das Gefressenwerden. Aber auch nicht hier warten, die Tür würde nicht mehr lange halten. Ein Hinterhof versprach Rettung. Wenn er mit weiteren Hinterhöfen verbunden war, konnte Hiob an anderer Stelle wieder im Straßenlabyrinth auftauchen, ohne dass die Meute seine Spur direkt verfolgen konnte. Er rannte los, durch die hintere Durchgangstür auf einen Hof, heftiger gewordener Regen klatschte auf ihn herab. Ihm fiel diese alte Rain-Dogs-Legende ein, somit hoffte er, dass der Regen gut für ihn war, dass er die Hunde verwirren würde. Links war eine ruppige Ziegelmauer. Hiob sprang auf eine Gelbe Tonne und von dort auf die Mauer. Dahinter standen keine Mülltonnen in unmittelbarer Nähe, also biss er in den sauren Apfel und sprang, mit einer Hand aufgestützt. Es gelang, ohne dass seine Fußknöchel aus den Fugen sprangen. Süßer Vogel Jugend, ein wirkungsvolleres Workout als das zu Hause.
    Er war jetzt in einem anderen Innenhof und gönnte sich erst mal ein paar Minuten, um sein saublödes Dinnerjackett zu zerreißen, sich das Gros des Rückenstoffes um den schmerzenden und immer noch blutenden Hals zu wickeln und sich aus den Ärmeln so was wie zusammengeballte Fäustlinge zu improvisieren, die allein schon wegen der Zähigkeit des Stoffes gar nicht gut für die Zähne waren. Während er sich so wie ein antiker Gladiator bandagierte und wieder zu Atem fand, dachte er nach.
    Die ganze Sache sah doch ziemlich böse aus, weitreichend, mindestens bezirksübergreifend, wahrscheinlich aber sogar wie ein fetter Alb über der ganzen Stadt liegend. Trotzdem konnte es einfach unmöglich eine Manifestation oder etwas noch Schlimmeres sein, davon hätte man ihn unterrichten müssen. Wenn es also nur ein Prognosticon war, die Ausprägungen dieses Prognosticons sich aber in Brisanz und Flächenwirkung kaum noch von einer Manifestation unterschieden, musste das, was dieses Prognosticon von einer Manifestation unterschied, in der Behebbarkeit des Problems zu finden sein. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu einer Manifestation musste das hier ganz einfach zu regeln sein. Aber wie? Musste er den Hunden nur einmal herrisch »Platz!« zurufen, und alles wurde gut? Ein Versuch würde nicht viel mehr kosten als wahrscheinlich sein Leben.
    In zwei der den Innenhof umrankenden Wohnungen gleichzeitig fingen Köter an zu keifen. Lichter gingen an.
    Hiob musste nach Hause. Er war ja sowieso nicht mehr sehr weit von seiner
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