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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Autoren: Tobias O. Meißner
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Schmetterlingsflügeln von zehn Metern Spannweite. Das gute alte Eden. Milch und Honig ohne Ende. Allein schon von der Simulation kriegte ich Heuschnupfen.
    NuNdUuN empfing mich als weißbärtiger Patriarch mit den ungefähren Gesichtszügen Charlton Hestons. Sein Mangel an Ernsthaftigkeit machte mich langsam sauer.
    »Wunderbar, ganz fabelhaft, welch Einsatz, so viel Güte gepaart mit Geschick.« Er brachte es tatsächlich fertig, Charlton Heston ein tuntiges Flair zu geben. »Du hast dir die Selbstheilung redlich verdient, deine stille Duldsamkeit ist deines traditionsreichen Vornamens zutiefst würdig.« Er strich mir mit einer Hand über den Kopf, Wärme und Wohligkeit durchströmten mich, meine Rippen heilten im Zeitraffer, meine Kopfhaut schloss sich, Herz und Lunge entfalteten und regenerierten sich wieder in jugendlicher Pracht, maunzend entschlüpfte das Kätzchen meinen warm kribbelnden Armen, und schon im nächsten Moment zertrat Gott das kleine Katzenköpfchen unter seiner Goldsandale und rieb den zermalmten Schädel mit drehender Fußbewegung richtig fest ins Paradiesgras ein.
    Einen der längsten Momente meines Lebens fühlte ich mich wie in einem Spinnennetz klebend, das so gewaltig war, dass außer mir noch die Planeten des Sonnensystems drin festhingen.
    »Ein eigenartiger Moment, nicht wahr?« , brachte NuNdUuN lächelnd die Lage auf den Punkt. »Und das Interessante an diesem Moment ist: Du empfindest nicht das kleinste Mitleid mit dem Kätzchen. Du bist lediglich erschrocken und fragst dich: War’s das jetzt? Habe ich verloren? Hat er mich ganz am Ende noch übel überlistet und mir die Eröffnung zerstört? So viel, Hiob Montag, zu deinen ehrlich empfundenen Gefühlen gegenüber der gemarterten Kreatur. Es ist alles nur Mittel zum Zweck für dich, es ist alles nur ein Spiel. Darin sind wir uns ähnlich, und in dieser Eigenschaft muss mir jeder Spieler ähneln, sonst macht die ganze Spielerei mir keinen Spaß. Sorge dich nicht, Hiob. Deine Heilung eben war schon Bestandteil deines neu gewonnenen Spielerstatus, du erinnerst dich doch noch an deine Vergünstigungen? Wir heißen dich willkommen auf dem neuen Feld der Ehre. Möge deine Ein-Personen-Mannschaft den Legionen des Wiedenfließes ein unterhaltsamer Gegner werden. Wir hören voneinander.«
    NuNdUuN zerstob, das Paradies verging, der grauenhaft anzusehende Katzenkadaver blieb, schön fett auf meiner Auslegware. Und noch jemand war geblieben. Meine einzige Belohnung, die beste meiner Vergünstigungen. Sie war nackt und klaffend, und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, und wir begossen das Gelingen der Eröffnung mit meinem heißen Samen.
    Mehr brauche ich dazu nicht zu schreiben. Ich will an diese speziellen Stunden und Tage auch gar nicht denken, denn ich bin jetzt schon wieder viel zu lange ohne sie, meine süße, warme Droge, ich will sie zurückhaben, verdammte Scheiße, der Gedanke an sie schmerzt wie Tränen in meinen Augen. Die feige Schlampe hat mich im Stich gelassen, und ich werde sie finden und dann werd ich’s ihr besorgen bis sie weiß was
    Eins kann ich ja noch erwähnen: In den Zeitungen und Berliner Fernsehnachrichten der folgenden Tage seitenweise Bildersturm über den gigantischen Blechschaden in der Innenstadt. Der Tod von Doktor Wothe wurde überhaupt erst fünf Tage später entdeckt, fand dann spaltenbreit auf Seite 18 statt und wurde nie geklärt.

Morgen. Morgen werde ich entlassen.
    Gut so. Habe nämlich keinen Bock mehr, was zu schreiben. Hat mich gut beinandergehalten geistig in dieser Zeit der absoluten Ödnis, aber jetzt ist genug. Morgen werde ich diese ganzen Seiten hier verbrennen. Kein Zeugnis soll bleiben außer der Zukunft.
    Einen Gehstock werde ich brauchen, für ein oder zwei Monate, bis meine beiden Beine in ihren Bewegungen wieder so weit koordiniert sind, dass ich meinen Beckenknochen voll belasten kann. Ansonsten behalte ich nichts zurück, keine Metallklammern in mir drin, keine Ersatzteile aus Kunststoff.
    Ein Bild will ich malen. Es erstaunt mich fast selber, dass ich nicht nur unter der Sexabstinenz leide, sondern dass auch die Malerei offenbar ein immer wichtigerer Teil von mir wird. Wichtiger jedenfalls als etwas aufschreiben, was wirklich nur ertragbar ist, wenn man nicht laufen und nicht ficken kann.
    Ich will etwas Mürbes nehmen, vielleicht eine große skandinavische Scheibe Milchknäckebrot. Dann stanze ich da die Form eines Beckenknochens heraus. Dann zerbreche ich diese Form in
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