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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
Autoren: Tobias O. Meißner
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hören zu können, die sich dort unten zusammenrotteten und als flinke, von Zwielichtern gevierteilte Schemen durch die harten Gassen hetzten. Aber das konnte ja wohl kaum sein. Das konnte unmöglich so groß sein wie eine Manifestation. Es war ein Prognosticon, allerhöchstens, Hitchcocks Die Vögel in einer kleiner budgetierten Neufassung als Die Köter , keine wirklich stadtbedrohende Gefährlichkeit, geschweige denn das infernalische Gewimmel einer standesgemäßen Inundation.
    Das grau uniformierte Pärchen eines privaten Sicherheitsdienstes stieg in den Waggon ein; sie führten eine Art Rottweiler samt Maulkorb mit sich, wie meistens. Wenn sie die Fahrausweise kontrollieren wollten, müsste Hiob halt wieder auf den zweitältesten Trick der Welt zurückgreifen, aber das hatten sie offensichtlich nicht mal vor, also konnte Hiob ganz unauffällig bleiben. Der Hund jedoch zerrte an der Leine und knurrte und schäumte sogar durch sein Maulgitter hindurch in Hiobs Richtung. Als der männliche Uniformierte gegenhielt und den Vierbeiner zurechtwies, begann der, fiepend im Kreis zu tapsen und den Uniformierten gegen die Uniformbeine zu pissen. Heiterkeit im gesamten Waggon, nur eine alte Frau empörte sich. Hiob stieg aus, wartete in einem der Hochbahnhöfe lieber auf den nächsten Zug. Das enervierend piepsige Gebelle eines kleinen Pinschers hallte hier von irgendwoher durch die hundehüttenartige Bahnhofskonstruktion. Ein Notarztwagen, blassweiß in der Nacht, kojakte unten vorüber. Der nächste Zug kam erst nach viel zu langen zehn Minuten – auf Mitternacht zugehend erschlaffte der Bahnverkehr dieser sogenannten Hauptstadt immer bis zur völligen Stasis –, und Hiob stieg wieder ein. Keine Hunde diesmal, überzeugte ihn ein flüchtiger Blick durch den Waggon. Dafür lag ein Penner mit blutender Kopfwunde auf der dunkelgrün zerfransten und mit unleserlichen Tags übersäten Sitzbank. Eine kleine Bierflasche rollte bei jedem Stop in der Wagenlänge hin und her. Als Hiob die Tür des Bahnhofs aufzog, an dem er aussteigen musste, heulte von weither ein Wolf. Oder ein Schäferhund, sich seiner Ahnen besinnend.
    Hiob stieg um in die deutlich besser beleuchtete und auch wirklich unterirdische Linie 6. Der große Bahnhofsraum hallte wieder vom wütenden Keifen zweier halbgroßer Hunde, die von ihren halbstarken Besitzern nur halbherzig zurückgehalten wurden. Es waren überhaupt viel zu viele Hunde zu dieser späten Stunde noch unterwegs. So, als wären sie alle zusammen unruhig geworden und hätten ihre Besitzer dazu gezwungen, noch mal mit ihnen runter zu gehen. Es war nicht Vollmond draußen. Es war nicht Frühling. Es lag kein Gewitter in der Luft und auch kein Erdbeben.
    Die Fahrt die paar Stationen in der 6 war ruhig und bieder, erfüllt nur vom Rattern des Zuges und dem Rascheln derer, die schon die Zeitungen von morgen lasen. Einem inneren Instinkt folgend, nicht dort auszusteigen, wo man ihn vielleicht erwarten konnte, fuhr Hiob über die Paradestraße drüber bis nach Tempelhof und lugte dort erst vorsichtig in die kühle Nachtluft, bevor er die gekachelte Unterwelt zugunsten des offenen Geländes aufgab. Auf dem Boulevard des Roten Barons konnte er in zwei- bis dreihundert Metern Entfernung die Silhouetten dreier Dobermänner sehen, die wohl in seine Richtungen schauten. Da wusste er, dass der Kampf eröffnet war und seine Wohnung viel zu weit weg, fast so weit wie das letztendliche Gewinnen seines Spiels.
    Keine Chance, ein Auto anzuhalten, um sich bis zu seiner Haustür chauffieren zu lassen. Nur ein Lebensmüder ließ einen jungen Mann mit langen Haaren zu sich ins Auto steigen, und die Lebensmüden waren heute Nacht alle von unseren vierbeinigen Freunden aus ihrer Lethargie geweckt worden.
    (In Spandau zwängte sich ein glatter Dackel zwischen sein Herrchen und sein Frauchen, die gerade Liebe machten, und biss sich dort fest. Ebenfalls in Spandau trottete eine riesige dänische Dogge mit schlackernden Lefzen und Bauch durch das Kinderzimmer, stellte sich mit den Vorderpfoten auf die Babykrippe, bis das Käfiggestell umkippte und das eingewickelte Baby benommen und stumm über den Boden rollte, fasste nach und lief mit treuem Blick und einem seitlich aus dem Maul heraushängenden Kinderärmchen zur telefonierenden Mutter zurück. In Schmargendorf fraß ein Labrador den scharfkantigen Deckel einer Hundefutterdose gleich mit. In Lichtenberg und dem angrenzenden Hohenschönhausen zog ein Irish Setter auf der
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