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Hinter verzauberten Fenstern

Hinter verzauberten Fenstern

Titel: Hinter verzauberten Fenstern
Autoren: Cornelia Funke
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schwarzer Mantel. Das war alles. Julia starrte das Bild ungläubig an. Der blöde Kalender hatte sie hereingelegt! Sie neugierig gemacht, ganz zappelig vor Neugier – und dann das. Sie hatte von Anfang an Recht gehabt. Es war ein blöder, langweiliger Schwachsinnskalender. Dachten die, die solche Kalender machten, etwa, Kinder fänden so was gut? Bilder von rumpeligen Dachböden statt Schokolade? Ärgerlich drückte Julia das Fenster wieder zu. Ich werde ihn wieder in die Küche legen, dachte sie. Und morgen mach ich die 1 nochmal auf, und Mama wird sehen, was sie mir da gekauft hat. Sie schwang die Beine aus dem Bett, und der Kalender rutschte zu Boden.

    Wie er glitzerte! Als wären tausend Sterne auf ihren Teppich gefallen. Und das Haus sah so geheimnisvoll aus und so traurig. Und die 23 Fenster schienen alle etwas Wunderbares zu verbergen. Julia zögerte. Dann stand sie auf, stellte einen Stuhl neben ihr Bett und lehnte den Kalender gegen die Stuhllehne. Danach kroch sie zurück unter die Decke und knipste das Licht aus. Der Kalender funkelte und blitzte in der Dunkelheit. Na ja, dachte Julia müde, seine Bilder taugen nichts, aber glitzern tut er wirklich wunderschön. Und dann schlief sie endlich ein.

3. Kapitel

    Als Julia am nächsten Morgen in die Küche kam, saßen die anderen drei schon am Frühstückstisch.
»Hallo«, sagte sie kleinlaut und schob sich auf ihren Stuhl.
    »Hast du heute bessere Laune?«, fragte ihr Vater. »Ja«, murmelte sie.
»So ein Aufstand wegen eines Schokoladenkalenders«, sagte Papa, schüttelte den Kopf und kippte seinen letzten Schluck Kaffee hinunter.
»Ich hoffe, so was machst du so schnell nicht wieder«, sagte Mama und goss ihr eine Tasse Kakao ein.
»Nein«, murmelte Julia. »Ich war nur so enttäuscht.«
»Na gut, vergessen wir die Sache«, sagte ihr Vater und stand auf. »Ich muss los. Bis heute Abend.«
»Bis heute Abend«, sagte ihre Mutter und begann den Tisch abzuräumen.
Olli warf Julia einen neugierigen Blick zu. »Dein Kalender ist weg«, sagte er. »Hast du ihn weggeschmissen?«
»Ich hab ihn oben«, sagte Julia und kaute lustlos auf ihrem Käsebrötchen herum.
Mama hob überrascht die Augenbrauen. »Ach, gefällt er dir plötzlich doch?«
»Er ist ganz hübsch.«
»In meinem war heute eine Schokoladenglocke«, sagte Olli. »Und in deinem?«
Mama warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. »Hör auf, sie zu ärgern. Soll ich dir deinen Kalender noch schnell aufhängen, bevor ihr zur Schule müsst?«
Julia nickte. »Über meinem Bett.«
»Gut. Hast du das erste Türchen schon aufgemacht?«
Julia schüttelte den Kopf. »Dann machen wir das gleich zusammen, ja?«
»Okay.« Julia dachte an die Rumpelkammer und verkniff sich ein Grinsen. Olli sah sie misstrauisch an.
    Der Kalender sah sehr schön aus über Julias Bett. »Der glitzert ja«, bemerkte Olli neidisch.
»Nachts glitzert er noch mehr«, sagte Julia.
»Na, dann mach mal das erste Fenster auf«, sagte Mama. »Ihr müsst gleich los.« Julia stellte sich auf ihr Bett und öffnete noch einmal das erste Fenster.
»Das ist ja nur ein Dachboden!«, sagte Mama und lehnte sich vor.
Julia stand stocksteif da und starrte das Bild an.
»Na ja«, Mama richtete sich wieder auf, »das nächste Bild ist bestimmt schöner. Sei nicht enttäuscht.«
»Macht nichts«, sagte Julia und starrte weiter das Bild an.
»So ein blödes Bild!«, sagte Olli.
»Komm du jetzt mit raus«, sagte Mama und schob ihren Sohn unsanft vor sich her aus dem Zimmer. »Julia kommt gleich nach.«
»Ja«, murmelte Julia und starrte das erste Kalenderbild an. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Der Mantel war weg. Weg! Einfach weg!
Wo er nachts noch gehangen hatte, war jetzt nur ein leerer Kleiderbügel. Keine Spur von einem Mantel. »Das gibt’s nicht!« Julia stöhnte.
»Julia, es wird Zeit!«, rief ihre Mutter von unten.
»Ja, sofort«, rief sie zurück und krabbelte vom Bett runter.
An der Tür drehte sie sich noch einmal um und warf einen zweifelhaften Blick auf ihren merkwürdigen Kalender. Dann knallte sie die Tür hinter sich zu und beschloss, den ganzen Tag nicht mehr über Dachböden, geheimnisvolle Fenster oder schwarze Mäntel nachzudenken.
    Natürlich klappte das nicht. In der Schule, bei den Schularbeiten, beim Schneemannbauen mit Olli – nie ging ihr der Kalender aus dem Kopf. Bei jeder Gelegenheit lief sie nach oben und sah sich das Bild an. Als Mama das Abendbrot machte, dachte Julia, sie könnte ruhig kurz nochmal nachgucken gehen.
    »Bin
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