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Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will

Titel: Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
Autoren: Birgit Theresa Koch
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der
vernünftigen politischen und moralischen Einschätzung, die ich sicher in vielem teile: Es gibt Verhaltensweisen und Vergehen, die verboten und verurteilt werden müssen. Eine gute Pädagogin und ein guter Sozialarbeiter – davon gibt es in Deutschland viele – aber können beides: Sie können Verhaltensweisen verabscheuen und gleichzeitig den Menschen mögen, der sich auf zerstörerische Weise durch die Welt bewegt, und versuchen ihn zu verstehen.
    Es gibt eine gesellschaftliche Realität, für die wir alle mitverantwortlich sind, in der Menschen mit zu wenig Bindung, Liebe und Wertschätzung oder auch geringer gesellschaftlicher Perspektive aufwachsen, sodass ihre Aggressions- und Gewaltbereitschaft enorm erhöht ist. Unser Körper beantwortet dauerhaften emotionalen Schmerz wie körperliche Schmerzen und reagiert mit einer erhöhten Aggressionsbereitschaft. Diese ist nicht angeboren, sondern im Verlaufe der Entwicklungsjahre entstanden.
    Nach Ansicht des Neurobiologen Joachim Bauer »steht Aggression immer im Dienste des Strebens nach Anerkennung, Beziehung, Kooperation und sozialer Zugehörigkeit. Von anderen akzeptiert zu sein, (...) stellt nicht nur ein psychisches, sondern ein biologisches Grundbedürfnis dar.« In seinem Buch Prinzip Menschlichkeit widerlegt er Darwins Konzept vom Kampf als einem Grundprinzip in der Natur und setzt sein Konzept eines biologischen Bedürfnisses nach Kooperation dagegen.

    W enn wir mit aggressiven und gewaltbereiten Menschen arbeiten und wollen, dass sie sich verändern, müssen wir eine Bereitschaft haben, diese Menschen zu mögen und das Verhalten und die unmögliche Meinung, die sie vertreten, als Rolle zu sehen, die sie in einem Feld, in einer bestimmten Kultur repräsentieren. Egal welches Glaubenssystem oder welche politische Gruppe diese Menschen gerade favorisieren, sollten wir fragen: Was will diese Rolle erreichen, auf was will sie aufmerksam machen?
    Vielleicht träumen gewaltbereite junge Leute davon, dass ihre Kraft und Stärke gesehen und wertgeschätzt werden, und sind auf der Suche nach Bündnispartnern. Vielleicht spiegeln sie versteckte Werte und Haltungen, die nicht nur zu ihnen gehören. So könnten sie Gedanken ausdrücken, wie sie viele in unserer Gesellschaft auch haben, z.B.: Menschen, die anders denken oder eine andere Religionszugehörigkeit haben oder sich anders benehmen, seien schlecht oder sollten weniger Rechte in unserer Gesellschaft oder in unseren Gruppen haben, um sich zu verwirklichen.
    Wenn hinter jedem Konflikt ein Traum steckt, dann auch in den Kämpfen, in denen wir nichts, aber auch gar nichts von unseren eigentlichen Wünschen entdecken können. Die unliebsamen Kämpfe in unserer Gesellschaft sind nur äußerer Ausdruck eines größeren Traums. Auf einer tieferen Ebene träumen wir und unsere Gemeinschaften von Sicherheit, Anerkennung, Verbindung und Liebe. Jeder Konflikt ist ein Gemeinschaftsprozess, in dem Menschen sich selbst und andere besser kennenlernen. Wir kommen nicht umhin uns anzuschauen, was dem noch im Weg steht,
beispielsweise unsere eigene Intoleranz und unsere verdeckten Mechanismen, Menschen auszugrenzen und abzuwerten, wenn sie nicht so sind und auch nicht so sein können wie die positiven Rollenträger in unseren Gruppen oder unserer Kultur. Diese Menschen werden an vielen Stellen in der Welt Konflikte anzetteln und mit anderen streiten, bis ihre Einzigartigkeit und Verschiedenheit wertgeschätzt werden. Dabei ist es egal, ob wir von einer kleinen Gruppe, einer Organisation oder von der Weltgemeinschaft ausgehen, in der alle um einen gewürdigten Platz kämpfen.
    Wenn es Anerkennung und Verständnis ist, was Menschen eigentlich wollen, dann macht es Sinn, dass Veränderungsarbeit mit einem Prinzip der Wertschätzung für mich selbst und für andere verbunden werden muss. Diese Rolle wird gebraucht. Denn Menschen kooperieren nicht, wenn wir sie nicht mögen, weil sie keine Motivation für Veränderung oder Zusammenarbeit aufbringen, wenn wir sie dauerhaft ablehnen. Wie auch wir selbst uns nicht ändern wollen, wenn andere oder wir selbst kein Herz für unsere Empfindungen und unser Sosein aufbringen.
    Menschen brauchen Anerkennung und Wertschätzung, um sich zu ändern.
    Ich habe kurz vor dem Tod meines Vaters im vergangenen Jahr noch mit ihm über seine vierzigjährige ehrenamtliche Tätigkeit als Schiedsmann im Kreis Cochem-Zell sprechen können. Er war sehr erfolgreich als Streitschlichter gewesen. Was ihm
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