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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür
Autoren: Henry Slesar
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wäre gewesen wie … die anderen Male. Aber so war es nicht. Ich schwör‘s Ihnen!«
    »Die anderen Male?«
    »Die anderen Dinge, die ich getan haben soll. Aber das waren keine so kleine Mädchen, sie waren nicht so jung, ich schwör‘s!«
    Vanner hätte am liebsten gelacht, hätte am liebsten das süße Gelächter der Erfüllung und des Triumphes angestimmt. Das Geschick stand ihm nicht nur zur Seite, es war sogar sein gleichberechtigter Partner.
    »Bitte machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Shanks«, sagte er mit seiner beruhigenden Arztstimme. »Es wird alles wieder gut. Für Sie und meine Patientin. Solange Sie mir helfen, alles in Ordnung zu bringen.«
    »Aber wie? Ich muß doch nicht etwa zur Polizei gehen?«
    »Nein«, sagte Vanner. »Natürlich nicht. Hier, dies ist die Anschrift, die Sie aufsuchen sollen. Heute abend noch.«
    Er zog ein Stück Papier aus der Tasche. In großen, deutlichen Buchstaben hatte er Gail Gunnersons Adresse daraufgeschrieben.

15
    S teve Tyner hat angerufen«, berichtete Gail ihrem Arzt.
    Vanner, der gerade ihren Puls fühlte, spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Aber er blieb äußerlich ruhig und machte nur uninteressiert: »Oh?«
    »Dreimal sogar. Ich habe natürlich nicht mit ihm gesprochen; das hat Mrs. Bellinger getan. Die Frau wird von Tag zu Tag unmöglicher. Ich habe ihr ganz klar gesagt, daß ich nicht mit ihm sprechen wollte, doch jedesmal hat sie durchgeklingelt und mir dieselbe Frage gestellt.«
    »Mrs. Bellinger scheint ein bißchen Partei zu ergreifen.«
    »Ja, leider. Aber sie weiß nicht, wer Steve Tyner wirklich ist. Sie hält ihn für einen netten jungen Mann, mit dem ich mich nur mal so gestritten habe, und meint, daß wir uns mit einem Kuß bald wieder versöhnen. Was machen die Elfen in meiner Aorta?«
    »Ihr Herz ist bestens im Schuß«, sagte Vanner lächelnd und legte ihren Arm wieder unter die Bettdecke. »In mehr als einer Beziehung. Ich bin ganz sicher, daß Sie jemanden rinden werden, der Ihrer würdiger ist als Mr. Tyner.«
    »Er hat mit Mrs. Bellinger gesprochen«, sagte Gail sehnsüchtig. »Sie hat mir seine Worte wiedergegeben, obwohl ich gesagt habe, daß mich das nicht interessiert.« Sie streichelte die abgegriffene Nasenspitze ihres Stoffbären. »Steve zieht fort. Er geht wieder in seine Nachrichtenagentur und läßt sich an irgendeinen exotischen Ort verschicken – etwa Timbuktu. Gibt es Timbuktu überhaupt noch?«
    »Ich glaube schon. Und ich beneide die Timbuktaner nicht.«
    »Ich wünschte, ich auch nicht«, sagte Gail und drehte das Gesicht ins Kissen. Vanner wartete, ob sie weinen würde. Als nichts kam, nahm er das Plastikröhrchen vom Tisch und ließ vier winzige weiße Tabletten auf seine Handfläche rutschen. Er betrachtete sie abschätzend und schob dann eine Pille in den Behälter zurück.
    »Hier«, sagte er. »Zeit für Ihre Medizin.«
    »Muß ich?«
    »Ja, meine Kleine«, erwiderte Vanner in väterlichem Ton. »Ich weiß, Sie haben etwas dagegen, die ganze Zeit schläfrig zu sein, aber das ist nur eine Nebenwirkung. Die Vorteile überwiegen die Nachteile.«
    »Ich komme mir ganz gewichtslos vor. So fühlen sich bestimmt auch die Astronauten – frei im All schwebend, ohne festen Boden zu berühren. Nur ist der Effekt bei mir noch stärker. Ich habe den Eindruck, als schwebte ich auch in der Zeit. Heute früh hab ich auf die Uhr gesehn und wußte nicht mehr, ob es halb sieben Uhr morgens oder abends war. Wie lange geht das noch?«
    »Bis der Onkel Doktor Ihnen sagt, daß Sie genügend Bettruhe gehabt haben. Oder bis die Raumeinsatzzentrale Ihnen mitteilt, daß Sie wieder fit sind für die Erdgravitation.«
    »Gravitation«, sagte Gail, »was für ein komisches
    Wort! ›Das Gravierende der Situation‹ – hat das damit zu tun?«
    »Ich bin Psychiater, kein Philologe.«
    »Und Grab. Ich bin sicher, es hat auch mit Grab zu tun.« Jetzt wandte sie sich um und sah ihn. »Sagen Sie jetzt nicht, daß das morbid sei?«
    »Nicht wenn Sie es schon selbst sagen«, erwiderte Vanner und schenkte ihr ein Glas Wasser ein.
    Gail nahm die Pillen und wunderte sich erst über die seltsame Anzahl, als sie sie geschluckt hatte. Dann sagte sie: »Drei Tabletten! Sie wollen mich heute wirklich aus dem Verkehr ziehen, nicht wahr?«
    Vanner antwortete wohlüberlegt: »Ich möchte, daß Sie heute besser schlafen als gestern.«
    »Aber die Pillen helfen mir nicht beim Schlafen. Sie lassen nur das Zimmer kreisen. Mein Schlafzimmer steigt jede
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