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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern
Autoren: Friedrich Ani
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Staatsanwalt mit Ihnen sprechen und anschließend Anklage erheben.«
    »Wegen Mordes?« sagte sie laut.
    »Das wissen wir noch nicht. Bis dahin bleibt Ihr Club geschlossen. Sie sind die alleinige Geschäftsführerin?«
    »Natürlich.« Wieder schlug sie mit der rechten Hand durch die Luft. Schon die ganze Zeit betrachtete Fischer ihre blassen, kräftigen Finger und die Narben auf beiden Handrücken.
    »Ich bin doch keine Mörderin! Was passiert denn jetzt? Tauchen jetzt Reporter bei uns auf? Wie läuft das?«
    »Unsere Pressestelle gibt jeden Tag einen Polizeibericht heraus, das kennen Sie aus der Zeitung. Wir werden Ihren vollständigen Namen nicht nennen, aber Geschichten aus dem Milieu sind für Journalisten immer brauchbar, sie werden Ihre Identität aufdecken.«
    »Und was soll ich dagegen tun? Ich laß mich doch nicht öffentlich ausstellen. Ich hasse das. Verdammte Presse. Ich verklag die alle, wenn die irgendwas über mich schreiben.«
    »Sprechen Sie mit niemandem. Geben Sie über Ihren Anwalt eine einmalige Erklärung ab, das genügt. Haben Sie eine Vorstellung, wie sich Ihre Kollegen oder Konkurrenten aus der Levelingstraße verhalten werden?«
    »Weinen werden die nicht, wenn mein Club zu ist.«
    Fischer öffnete die Tür. In einem der Zimmer diskutierten die Hauptkommissare Sigi Nick und Emanuel Feldkirch über ihre laufenden Recherchen. Als sie die Tür hörten, verstummten sie.
    »Was bedeutet das?« Clarissa Weberknecht deutete auf das kleine weiße Schild mit den zwei Buchstaben neben der Tür.
    »Meine Kollegen nennen mich P-F, und deshalb heißt auch dieser Raum so, ich bin der einzige, der ihn benutzt.«
    »Sie haben einen eigenen Raum für Ihre Verhöre?«
    »Ich mache keine Verhöre«, sagte Fischer.»Ich führe Gespräche. Warum heißt ihr Club Dinah? Wer ist Dinah?«
    »Eine Freundin hieß so«, sagte Clarissa. »Sie ist gestorben. Darüber möcht ich nicht sprechen.«
    Sie verzog ihren blaßrot geschminkten Mund zu einem scheuen Lächeln und streckte die Hand nach Fischers Kopf aus, ohne ihn zu berühren. »Sie sollten Ihre Haare färben, Schwarz steht Ihnen besser als Grau.«
    Valerie schüttelte den Kopf und stellte den Laptop auf ihren Schreibtisch gegenüber dem P-F-Raum. Fischer warf den Kopf hin und her und schien ernsthaft über Clarissas Vorschlag nachzudenken.
    »Aber Sie kleiden sich gut«, sagte Clarissa.
     
    Kurz darauf, nachdem sie das fünfunddreißig Seiten umfassende Protokoll unterschrieben und das schmiedeeiserne Tor vor der Haustür des Kommissariats hinter sich geschlossen hatte, dachte sie nicht mehr an den großgewachsenen Mann mit der hervorspringenden Nase. Sie dachte an ihre Freundin. Und sie wunderte sich, daß sie nach allem, was in der Nacht geschehen war und nie hätte geschehen dürfen, jene Straße in der Altstadt betrat, in der Dinah und sie früher gemeinsam gearbeitet und gewohnt und ihre Zukunft ausgeschmückt hatten.
    In der Ledererstraße gab es nur noch eine einzige Nachtbar, dafür ein neues Designerhotel, ein auf italienisch gestyltes Café, ein herausgeputztes chinesisches Restaurant, ein Musikgeschäft mit internationalem CD-Angebot und eine Handvoll kleiner Läden, an denen die architektonischen Modernisierungen in der Umgebung des Marienplatzes ebenfalls nicht spurlos vorübergegangen waren.
    Von der ältesten Stadtmauer Münchens, an der das Kommissariat III in einem mittelalterlichen Gebäude untergebracht war, schlenderte Clarissa Weberknecht die schmale, einhundertfünfzig Meter lange Einbahnstraße entlang, wich den Touristengruppen aus, die mit Fotoapparaten und Videokameras wie ferngelenkt das nahegelegene Hofbräuhaus ansteuerten, und versuchte, ihre Erinnerungen zu verscheuchen.
    Doch je länger sie ging, je öfter sie innehielt und Reste alter Zeiten entdeckte – ein Klingelschild mit handgeschriebenen Namen an einem Hauseingang, eine blaue Gardine an einem Fenster im vierten Stock, den Geruch nach frischgebackenem Kuchen –, desto schwermütiger wurde ihre Stimmung. Sie wünschte, es würde wieder anfangen zu regnen und der Regen sie aus diesem Viertel vertreiben, in dem sie als junge Frau gemeinsam mit Dinah das Glück erfunden hatte.
     
    Clarissa Weberknecht war sechsundvierzig Jahre alt, einen Meter achtundsechzig groß und hatte auffallend breite Schultern und Hüften, die sie kraftvoll nannte, und einen Bauch, den sie mit seinen weichen Ausformungen »wirkungsvoll« fand. Ihren Busen bezeichnete sie als »absolut frauig« und
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