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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk
Autoren: Waldemar Bonsels
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ihre Wirbel risse und ins Unendliche dahinschleuderte, meine Augen waren geblendet, ich schrie laut auf und taumelte in die Blüten, die naß vom Tau waren.

Da erkannte ich ein gewaltiges rotes Feuer am Horizont, das überall tausendfältig widerstrahlte, die ganze Natur umher brach in einen befreiten Jubel aus, ich hörte fremde Stimmen, die mich erschreckten und doch zugleich in die Seligkeit ihres Freudenrausches fortrissen, und da wußte ich, daß die Sonne aufgegangen war, daß ich die Sonne gesehen hatte und nicht mehr in meine Elfenheimat zurückkonnte!«
    Der Elf schwieg und verbarg sein Angesicht. Es herrschte tiefe Stille umher, denn alle Geschöpfe, die ihn angehört hatten, sahen in großer Ergriffenheit und wortlos auf seine helle Gestalt und auf seinen goldhaarigen Scheitel nieder, der milde erglänzte, und von dem eine unbeschreibliche Wehmut ausging.
    Da fuhr der Elf fort zu erzählen, und seine feine Stimme zitterte vor Ergriffenheit.
    »Ihr wißt nicht, ihr Lieben, was Augen, die niemals die Sonne gesehen haben, ihr strahlender Aufgang am Himmel bedeutet! Ihr feuriger Glanz, ihre himmlische Allmacht betäubten mich und ich verlor die Besinnung, bis ich nach einer Weile, deren Dauer ich nicht zu sagen vermag, von einem neuen, unfaßbaren Leben erwachte, das wie in warmen Goldbächen meinen ganzen Körper durchrieselte. Als ich die Augen aufzuschlagen wagte, fand ich mich unter Blumen auf dem Erdgrund liegen, und der Sonnenschein überflutete mich über und über, lange lag ich so still und konnte die Wohltat nicht fassen, die mein trauriges Gemüt zu einem ganz neuen Glück überredete, mein Herz schwankte in großer Angst und unnennbarem Entzücken und mir war, als wollte es tief aus dem Grund meiner Seele hell und brennend in die Augen brechen.«
    Als der Elf bei diesen Worten eine Pause machte, konnte ein Waldvogel, der ihm von einem Lindenzweig aus in atemloser Spannung gelauscht hatte, nicht länger an sich halten, und nun rief er laut:
    »Vertrau’ der Sonne, lieber Elf! Es ist unsagbar schön in der himmlischen Sonne!«
    Und wie eine Antwort auf diesen Ruf, erklang es tausendstimmig von allen Geschöpfen umher. »Es ist herrlich in der himmlischen Sonne!« Als ein einziges, jauchzendes Rauschen ging es durch den Blätterwald, durch die Gräser und Blumen hin, und es war auch nicht ein Tier, das nicht in überzeugtem Glauben in dieses Lob der Sonne einstimmte.
    Aber das Lächeln, mit dem der Elf den Geschöpfen dankte, war bei allem Glück seiner Erwartungen doch von so großer schmerzvoller Traurigkeit, daß die alte Uku nachdenklich ihren Kopf schüttelte. Sie war in der Tat ein weiser Vogel, und sie verstand das Elfenkind.
    »Hast du Heimweh nach deinem verlorenen Reich?« fragte sie herzlich.
    Da sah der Elf zu ihr auf und nickte.
    »Die Liebe hat dich an die Erde gebunden,« sagte Uku, »sie wird dich wieder lösen, Elfenkind.«
    Erstaunt sah das kleine, helle Menschenwesen zu dem großen Vogel auf.
    »Es ist wahr, was du sagst,« antwortete er, »aber die Liebe, die mich erlösen kann, muß weit größer sein als die, durch deren Schönheit ich meine alte Heimat verloren habe, das ist ein uraltes Gesetz des Elfenreichs, ach, traurig ist es, die Heimat zu verlieren! Wie soll ich jene Liebe finden, wann wird sie mir begegnen?«
    Da schwieg Uku und sah sinnend in die helle Weltweite. Aber allen Tieren umher war, als müßten sie etwas tun, um dem Elfen seinen Aufenthalt auf der Waldwiese so angenehm wie möglich zu machen. Mit großem Eifer und in schöner Gemeinschaft machten sie sich ans Werk, ihm unter einer mächtigen Wurzel des Lindenbaums aus Moos und Federn eine kleine Wohnstätte herzurichten, sorgsam vor dem Regen geschützt und gegen die Morgensonne zu geöffnet.
    Und der Elf nahm zu ihrer Freude ihre Gabe an und versprach, bei ihnen zu bleiben.

Drittes Kapitel
Die Frühlingsnacht

    So war nun ein Blumenelf, ein Wunderwesen der Sommernacht, durch das Begebnis, das ich erzählt habe, verbannt worden, auf der Erde der Menschen, Tiere und Pflanzen zu leben. Auf dieser Erde, auf der auch wir für kurze Zeit zu unserer Bewußtheit erwacht sind, dieser Erde der grünenden Fluren, der Wasserläufe, der Berge und Täler, der Tage und Nächte.
    Da es sonst den Elfen bestimmt ist, nur für ein paar Nachtstunden im Mondschein aus ihrem Blumenbett zu erwachen, so erfahren sie von der Erde selbst und von allem Irdischen nur wenig; in blauen Nachtbildern, die vom Himmelssilber glänzen,
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