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Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Titel: Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)
Autoren: Felix Baumgartner
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lassen. Er hat sich gesagt: Ich zahle den Sportlern viel Geld, und trotzdem sind sie oft nicht optimal betreut. Da baue ich doch lieber mein eigenes Trainingszentrum. Und so hat er eine Institution geschaffen, die ihresgleichen sucht. Das Zentrum in Thalgau gibt den Athleten die Möglichkeit, zu trainieren, mit einem zusätzlichen Komplettservice an Leistungsdiagnostik und Betreuung. Es gibt dort einfach alles: Fitnessstudio, Ergometer, Laufbänder, Fahrräder, Physiotherapeuten, Psychologen, Sportmediziner, Sportwissenschaftler, Gesundheitschecks, Betreuung. Red-Bull-Sportler wie Lindsey Vonn, Andreas Goldberger und Sebastian Vettel machen hier Tests, Therapien oder kommen nach Verletzungen zur Reha.
    Der Leiter des Zentrums kennt den menschlichen Körper so gut wie sonst nur wenige. Ich habe Bernd Pansold davor noch nicht persönlich getroffen, hoffe aber, dass er mir helfen kann. Ich habe überhaupt Thalgau bisher noch nie genutzt, sondern immer einen eigenen Trainer beschäftigt.
    Christopher erklärt mir, dass Pansold mich durchchecken wolle, körperlich und geistig. Damit wir mal den Ist-Zustand von Felix Baumgartner einschätzen können. Ich bin skeptisch, willige aber ein. Ich fahre die paar Kilometer rüber nach Thalgau ins DTC und werde den ganzen ersten Tag Fitnesstests, Leistungstests und psychologischen Tests unterzogen. Bei den meisten schneide ich nicht gut ab. Ich war nie ein Ausdauersportler, sondern immer nur Sprinter und Kraftmensch. Dementsprechend mies sind meine Ausdauerwerte. Ein Fest für einen Leistungsdiagnostiker, der schon die besten Athleten der Welt betreut hat. Ein Schlachtfest. Jahrelang hat sich der Herr Baumgartner nicht bemüßigt gefühlt, sich hier blicken zu lassen, hat wohl geglaubt, er habe das nicht nötig, anders als alle anderen Red-Bull-Stars. Pansold hört mir zu, als ich ihm zu erklären versuche, dass nicht die Ausdauer mein Problem sei. Aber nur aus Höflichkeit. Er wirkt auf mich wie ein Richter, der sich zwei Stunden lang eine Verhandlung anhört, aber schon in der ersten Minute sein Urteil gefällt hat.
    Also unterziehe ich mich auch an den Folgetagen seinen Tests, und am Ende eines jeden Tages haut er mir seine Diagnose um die Ohren: »Zahlen lügen nicht. Wenn du körperlich nicht fit bist, hast du auch schneller Stress.« Schlechte Ausdauer gleich geringe Stressresistenz. Das stimmt natürlich bis zu einem gewissen Punkt. Aber Stress ist nicht gleich Stress. Sonst wäre jeder Ausdauersportler der perfekte Kandidat für Stratos: Der sitzt dann zehn Stunden im Anzug und sagt sich: Gott, wie langweilig! Das ist aber nicht so. Da kommen noch viel mehr Komponenten ins Spiel. Was ich an Pansold vermisse, ist die Begabung, Dinge individuell zu erkennen und zu entscheiden: Was braucht dieser Athlet jetzt wirklich? Früher, als er noch in der DDR gearbeitet hat, hat vermutlich keiner genauer nach den individuellen Bedürfnissen gefragt. Ebenso wenig wie heutzutage im chinesischen Spitzensport: Da geben die Eltern die Kinder mit drei Jahren in der Kaderschmiede ab, in der Hoffnung, dass sie zehn Jahre später olympisches Gold holen. Dort gibt es genau eine Trainingsmethode, und diese Methode wird bei allen angewendet, egal, welche Sportart, egal, was für eine Persönlichkeit der Athlet besitzt. Wer zu schwach ist, fällt aus dem System, und dann heißt es, der Nächste, bitte.
    »Ich kann dir helfen«, versichert mir Pansold nach einer Woche Ausdauertraining. »Wir können dich da nicht rauflassen, bevor wir nicht die richtigen Ergebnisse haben. Das bist du deinem Partner Red Bull schuldig. Und dir selbst.« Eine klare Ansage: Red Bull hat das Projekt ins Leben gerufen, mitgestaltet, mir vertraut und hat jedes Recht, von mir die bestmögliche Vorbereitung zu verlangen. Wenn es schiefgeht, kann er zumindest sagen: »Wir haben alles Menschenmögliche getan und Felix für gut befunden. Trotzdem ist er in einer Höhe von 34 000 Metern durchgedreht, hat die Tür der Kapsel aufgemacht, seinen Helm geöffnet und ist leider gestorben.« Mir bleibt keine Wahl, ich muss dieses Training mit Pansold durchziehen, wie auch immer es ausgehen wird.
    Wie fit muss ich sein, um einen Überschallflug vom Rande des Weltalls zu überstehen? Wenn du einen Marathon laufen willst, gibt es Trainingswerte, die du vorher erreichen musst, sonst schaffst du es nicht. Aber wie fit muss jemand sein, um in 39 000 Metern auszusteigen und Überschall zu fliegen? Einer, der es wissen muss, ist Joe Kittinger,
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