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Himmels-Taler

Titel: Himmels-Taler
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wußte jetzt nicht, wohin sie verschwunden waren.
    Als sie nicht zurückkehrten, machte sich der Elf daran, das Schloß zu verriegeln, vielleicht war das die übliche Vorgehensweise in Notfällen. Er öffnete den Käfig und ließ die Drachen am Schloßgraben frei. Die Drachen jagten so schnell auf dem Verzauberten Pfad davon, wie sie nur konnten. Das war ein Fehler; Dolph wußte, daß Drachen auf diesem Pfad nichts zu suchen hatten. Nachdem er alles geregelt hatte, verschwand der Elf selbst. Offenbar hatte er seine Pflicht erfüllt.
    Und das war es auch schon, bis am nächsten Tag die drei Fragesteller eintrafen. Der Magier und seine Familie hatten sich einfach in Rauch aufgelöst! In heiligen Rauch!
    Dolph spulte bis zum Rauch zurück, er wollte einen Blickwinkel finden, der es ihm ermöglichte, im entscheidenden Augenblick durch den Schleier zu spähen, um etwas zu erkennen.
    Jetzt begriff er, warum es den Erwachsenen nicht gelungen war, mit Hilfe des Webteppichs das Rätsel zu lösen; der Rauch hatte sie daran gehindert. Aber wenn es seinen scharfen Augen gelingen sollte zu erkennen, was ihnen entgangen war…
    Dolph nahm die Gestalt eines Greifs an. Als Greif besaß er eine ausgezeichnete Sehkraft. Und jetzt…
    »Was machst du in meinem Zimmer!?« wollte Ivy wissen, als sie hereinplatzte. »Du Bengel von einem Bruder – du hast hier überhaupt nichts zu suchen!!« Die Hälfte ihres Zorns war echt, die andere nur gespielt; das merkte er an der doppelten Interpunktion.
    Dolph nahm wieder menschliche Gestalt an. Jetzt saß er in der Tinte! Er war so sehr in das Geschehen vertieft gewesen, daß er überhaupt nicht gehört hatte, wie sie zurückkam. »Ich habe nur ein bißchen Teppich geguckt! Wenn du mir erlauben würdest, ihn für eine Weile bei mir im Zimmer aufzuhängen…«
    »Niemals!« rief sie. Sie war vierzehn und auf dem Höhepunkt ihrer Herrschsucht; Dolph wußte, daß es nichts Schlimmeres geben konnte als eine große Schwester in ihrem Alter. Ihr Talent war die magische Verstärkung, und es bestand kein Zweifel, daß es auch ihren Charakter verstärkte. Es war sinnlos, mit einem solchen Wesen ein Streitgespräch zu führen.
    Deshalb versuchte er es auch gar nicht erst. Statt dessen verwandelte er sich in eine riesige Giftspinne und baute sich vor ihr auf.
    Ivy kreischte und wich zurück. »Wie absolut fürchterlich!!« schrie sie in gespieltem Grauen. »Endlich hat er seine wahre Gestalt angenommen!! Ich wußte ja schon immer, daß er ein scheußliches Ungetüm ist!!«
    Irgendwie war heute doch nicht sein Tag! Sie schaffte es jedesmal, ihm eins überzubraten. Er nahm wieder seine Jungengestalt an.
    »Du denkst immer, du wärst so schlau! Ich werde was machen, dagegen siehst du dann aus wie Harpyiendung!« Er versuchte es zwar, doch es gelang ihm nicht, doppelte Ausrufezeichen herzustellen. Leider.
    »Ach ja? Was denn, du kleiner Hosenmatz?«
    »Ich werde den Guten Magier suchen und retten!«
    Sie antwortete nicht. Dazu war sie zu hinterhältig. Sie brach einfach nur in Gelächter aus. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen, scheinbar von Heiterkeit überwältigt – und schreckte abrupt auf. »Iiihh! Auf meinem Bett sind ja Werwolfhaare!!« schrie sie empört. Ihre Stimmung konnte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit von Entsetzen in sarkastische Freude und Empörung verwandeln.
    Dolph erkannte, daß ein gesicherter Rückzug durchaus ein Zeichen der Klugheit sein konnte. Schnell verwandelte er sich in eine Maus und huschte hinaus, das Geschrei schwesterlichen Zorns folgte ihm.
     
    Aber der Gedanke, den Guten Magier zu suchen, ließ ihn nicht mehr los. Er hatte lediglich davon gesprochen, um seine herrische Schwester einzuschüchtern, aber jetzt kam er schlecht aus der Sache heraus, ohne sein Gesicht zu verlieren. Außerdem war er es leid, immer nur der jüngere Bruder zu sein, er wollte endlich eine edle Ruhmestat vollbringen. Warum sollte er den guten Magier Humfrey eigentlich nicht suchen gehen? Er war doch dazu genausogut geeignet wie jeder andere; er war zwar noch jung, dafür aber auch ein vollwertiger Magier. Wenn ihn irgend etwas bedrohen sollte, konnte er sich schnell verändern und so der Gefahr entgehen.
    Also fällte er seine Entscheidung: Er würde es tun. Er würde das Schloß des Guten Magiers aufsuchen und nachsehen, ob es in diesem Gewölbe nicht doch noch einen Hinweis darauf gab, wohin der Magier verschwunden war. Und dann würde er ihm folgen.
    Da gab es allerdings ein kleines Problem:
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