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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien
Autoren: T McKinley
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und tätschelte den Hund weiter. »Tut mir wirklich leid, Vera«, brachte sie hervor. »Komme ich viel zu spät?«
    Vera schnaubte und zupfte an ihrer geblümten Kittelschürze, doch ihre Züge wurden weicher, wie immer, wenn sie Lulu vor sich hatte, und sie seufzte. »Tee gibt’s um vier Uhr, wie du genau weißt, Missy, und wenn man das Haus nicht voller Diener hat, ist’s ’ne Heidenarbeit, alles in Ordnung zu halten.«
    Lulu entschuldigte sich noch einmal, doch als sie dann beide schwiegen, unterstrich das nur die Leere der riesigen Küche, beschwor Bilder aus jener Zeit, in der die Köchin und die Dienstmädchen mit den Gärtnern um den geschrubbten Tisch herum saßen und plauderten. Der köstliche Duft nach Gebackenem war geblieben, doch das Scheppern von Pfannen und das Stapfen vieler Füße auf den Steinplatten war fort und hatte gespenstische Erinnerungen hinterlassen. Der Krieg hatte alles verändert.
    Vera schnalzte verärgert mit der Zunge und griff nach dem Teewagen. »Wasch dir die Hände«, befahl sie. »Mit den ganzen Pferden und Hunden wirst du sonst mehr als nur deinen eigenen Dreck essen, und das bei deinem Herzen und allem …« Der Rest des Satzes ging im Quietschen der Räder und dem Klappern des Porzellans unter, als sie den Teewagen durch die Tür in die Eingangshalle schob.
    Lulu lächelte noch immer, während sie sich die Hände unter dem Wasserhahn in der Küche wusch und dann in ihren dicken Socken durch die kühle Eingangshalle tappte. Unter Veras rauer Schale saß ein weiches Herz, und Wealdon House wäre ohne sie einfach nicht dasselbe.
    Sie sah nach der Post, die mit der zweiten Lieferung gekommen war, und betrat das Wohnzimmer. Ein Brief von Maurice war dabei, aber sie hatte es nicht eilig, ihn zu lesen.
    »Wie oft habe ich dich schon gebeten, dich umzuziehen, bevor du hier reinkommst, Lorelei? Die Ställe haften wie ein widerlicher Geruch an dir.« Clarice duftete nach franzö-sischem Parfüm, ihre Miene war streng, und ihre steife Haltung unnachgiebig, während sie darauf wartete, dass Vera den Teewagen zu ihrer Zufriedenheit aufstellte. Mit herrischem Kopfnicken wurde die Haushälterin entlassen.
    Lulu und Vera waren an dieses ziemlich hochnäsige Verhalten gewöhnt und kümmerten sich nicht weiter darum. Clarice spielte gern die Grande Dame, aber dahinter steckte keine Bosheit, und da sie keine stillen Liebesbeweise mochte, widerstand Lulu dem Bedürfnis, ihr einen Kuss zu geben, und sank auf das Sofa neben dem Kamin. »Verzeih«, murmelte sie und fuhr sich mit den Fingern durch das wirre Haar, »aber ich konnte den Tee kaum erwarten. Ich bin ausgehungert.«
    Clarice schenkte aus der verzierten Silberkanne ein, und Lulu nahm sich einen Teekuchen mit warmer Butter vom Rechaud und biss hinein.
    »Teller, Lorelei, und Serviette.«
    Sie gehorchte und mampfte den göttlichen Kuchen, während die Hitze des Feuers sie allmählich auftaute. Clarice hatte sich immer geweigert, ihren Namen abzukürzen – sie fand es ziemlich gewöhnlich –, und obgleich sie gern den Eindruck einer barschen Zuchtmeisterin aufrechterhalten wollte, hatte Lulu sie längst durchschaut. Trotzdem, wenn Clarice wirklich gereizt war, konnte sie mit ihrem zornigen Blick einen wilden Bullen in fünfzig Meter Entfernung zur Räson bringen – heute jedoch strahlten die blauen Augen humorvoll.
    Clarice war um die siebzig – ihr wahres Alter war ein gut gehütetes Geheimnis, und Lulu hatte es nie zu brechen versucht –, doch sie hatte die Haltung, Vitalität und geistige Schärfe einer viel jüngeren Frau. Ihre kurzen silbergrauen Haarewaren frisch onduliert, Perlen waren in ihren Ohren und an einer Kette, die in mehreren Schlaufen bis zu ihrer Taille reichte. Ringe glitzerten an ihren Fingern, Armbänder klimperten an ihren schlanken Handgelenken. Clarice war die Witwe eines längst verstorbenen Diplomaten, und an den strengen Verhaltens- und Erscheinungskodex, den er erzwungen hatte, hielt man sich noch immer. Solange sie atmete, würde Clarice keine Nachlässigkeiten dulden.
    »Es ist unhöflich, so zu starren, Lorelei.«
    »Ich dachte nur gerade, wie schön du heute Nachmittag aussiehst«, erwiderte sie wahrheitsgemäß. »Das weiche Grau steht dir wirklich gut.«
    Clarice strich das niedrig taillierte Kleid über den Knien glatt, ihre geröteten Wangen zeigten die Freude über das Lob. »Danke, Liebes. Ich wünschte, ich könnte das Kompliment erwidern, aber in dem Aufzug siehst du aus wie ein
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