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Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)

Titel: Himmel über Ostpreußen: Schicksalsjahre einer Familie (German Edition)
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Trost, aber ich denke, es wird bald Krieg geben. Zwischen Preußen und Frankreich brodelt es gewaltig. Lange kann es allerdings nicht dauern. Unsere Truppen sind stärker und wesentlich besser ausgerüstet als die Frankreichs. Trotzdem wird es auf beiden Seiten schwere Verluste geben. Wer weiß, ob der Junge heil daraus zurückgekommen wäre.«
    »Nein, das ist kein Trost, Kraft. Krieg ist etwas anderes als ein sinnloses Duell.« Ferdinand zündete sich eine Zigarette an. Seine Hände zitterten. »Sag, was ist mit diesem Seliger?«
    »Er hat eine schwere Schussverletzung am Knie, ist somit dienstuntauglich. Er musste seinen Abschied nehmen. Wie trägt es Ellarts Mutter? Ich hörte, ihr Mann ist 1866 gefallen.«
    »Sie ist verzweifelt. Die ganze Familie ist außer sich und ich …«, für einen Moment versagte ihm die Stimme, »… ich kann es noch gar nicht glauben.« Er wischte sich mit seinem Taschentuch über die Augen. »Hat mein Großneffe Schulden gehabt, ist da etwas bekannt?«
    Der Kommandeur zögerte. »Es gab Gerüchte, aber unter seinen Sachen wurde nichts gefunden, und bisher haben sich noch keine Gläubiger gemeldet. Du weißt, die sind sofort da, wenn so etwas passiert.«
    »Gut.« Ferdinand erhob sich. »Ich reise mit dem nächsten Zug. Ist alles vorbereitet?«
    »Ja, man wird dich zur Station begleiten.« Die beiden Männer gaben sich die Hand. »Leb wohl, alter Freund. Und richte deiner Familie mein herzlichstes Beileid aus.«
    Clemens wollte trotz des Trauerjahres nicht länger mit der Hochzeit warten.
    »Es wird Gerede geben«, gab Jesko zu bedenken. Aber nicht nur Clemens, auch Aglaia sagte, das sei ihr egal. »Was soll mir das Geschwätz der Leute noch antun nach dem, was mir in den letzten Jahren widerfahren ist?«
    Anfang Juni, es war ein warmer Frühsommertag, wurden Aglaia und Clemens getraut. Es war eine kleine stille Zeremonie in der Schlosskapelle. Die Trauer um Ellart ließ keine große Gesellschaft zu. Nur die Familie war anwesend. Alexander, der inzwischen in Königsberg studierte, fungierte als Clemens’ Trauzeuge, Elvira als der Aglaias. Bei dem anschließenden Mittagessen hielt Jesko eine anrührende Rede. Wie sehr sie sich alle freuten, dass Aglaia ein neues Glück gefunden habe. Er schloss mit den Worten: »Wir, Elvira und ich, haben uns das immer für dich gewünscht. Aber dass es einmal Clemens sein würde, wäre uns nie in den Sinn gekommen. Doch wir sind uns sicher, einen Besseren hättest du nicht finden können.« Alle erhoben ihre Gläser und stießen auf das Brautpaar an.
    Als das Dessert abserviert war und Hannes fragte, wo die Herrschaften den Mokka zu nehmen wünschten, bat Clemens ihn, einen Moment zu warten. Er erhob sich. »Lieber Jesko, ich danke dir für deine lieben Worte. Ihr alle wisst, dass ich Aglaia von Herzen liebe, und ich verspreche euch, alles nur Menschenmögliche zu tun, dass sie wieder glücklich wird. Ich weiß, dass ihr endlich erfahren wollt, wohin ich eure geliebte Aglaia entführen werde. Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir den Mokka dort nehmen.« Er sah aus dem Fenster. »Wie ich sehe, wartet Josef bereits mit der Kutsche. Also, wenn es euch recht ist …«
    Ein paar Minuten später saßen alle in der Kutsche. Alexander hatte auf dem Kutschbock Platz genommen, zu sechst wäre es doch ein wenig zu eng geworden. Alle schwiegen gespannt.
    »Sieh nur, Clemens, dort drüben liegt Wallerstein. Mein Gott, wie lange war ich nicht mehr dort. Ist unser Haus in der Nähe?« Clemens legte Aglaia die Finger auf die Lippen und sagte leise: »Gleich wirst du es wissen, Liebste.« An alle gewandt sagte er: »Würdet ihr bitte alle für ein paar Minuten die Augen schließen. Auch du, Alex. Und nicht schummeln.«
    »Was soll das denn?«, brummte Jesko. Das war ja zu albern.
    Aber Elvira lachte. »Nun lass doch dem Jungen den Spaß.«
    Clemens behielt alle im Auge. Wenn einer blinzelte, rief er: »Nicht schummeln, hab ich gesagt. Gleich habt ihr es überstanden.« Angenehm kühl war es auf einmal. Aglaia bemerkte, dass sie durch einen Wald fuhren. Doch da war sie schon wieder, die glühende Hitze, die schon seit Wochen das Land austrocknete. Und in diesem Moment rief Clemens: »So, jetzt könnt ihr die Augen aufmachen.«
    Auf der Anhöhe vor ihnen lag Wallerstein. Die Kutsche fuhr direkt darauf zu. Für einen Moment verschlug es allen die Sprache. Aglaia war die Erste, die ihre Fassung wiederfand. Sie fiel Clemens um den Hals. »Ich danke dir! Oh, wie ich dir
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