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Himbeersommer (German Edition)

Himbeersommer (German Edition)

Titel: Himbeersommer (German Edition)
Autoren: Anja Saskia Beyer
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Hätte selbst nicht gewagt, sie danach zu fragen.
„Wenn du magst?“
„Inzwischen ja.“ Sie zeigt sie mir, und ich bin erstaunt, wie natürlich und formschön sie ist.
Ich nehme sie in den Arm, wir lächeln uns an und dann werfe ich noch mal einen Blick durchs Piraten-Fernrohr. Ich zucke zusammen.
„Tobias ist jetzt in Lisas altem Kinderzimmer!“
„Was macht er denn da?“
„Er sieht sich um; keine Ahnung.“ Ich platze vor Neugierde.
„Weißt du was, geh doch einfach rüber und klingle bei ihm. Ich bin mir sicher, er wird sich freuen.“
„Bist du verrückt?! Er hat mich mit meiner besten… , also ich meine mit Jacky betrogen!“
„Stimmt auch wieder.“ Wir seufzen unisono. So laut, dass sich sogar die Amsel, die sich auf der Terrasse niedergelassen hat, erschreckt und wegfliegt.
„Schade um seinen Hintern. Der war wirklich niedlich.“
Magda nimmt lächelnd meine Hand und tröstet mich.
„Da draußen, da laufen so viele Knackärsche rum. Und außerdem hast du doch noch einen jüngeren, bestimmt noch knackigeren zu Hause.“
Ich nicke und frage mich, wo mein zu Hause denn eigentlich ist. Und dann wird mir klar, dass es immer da sein wird, wo Lisa ist, und ich fühle mich plötzlich sehr aufgehoben und geborgen und will sofort zu ihr.
     
     

***
     
Am nächsten Morgen gebe ich Lisa in der Kita ab und bin so froh, dass sie heute das erste Mal freudig glucksend zu Sabine auf den Arm geht (ihre Arme nach Sabine ausstreckt, als wäre sie die Mami!), überhaupt nicht weint und sich noch nicht mal mehr nach mir umguckt. Hallo?! Der bunte Kreisel ist spannender als ich?! Liebt sie mich nicht mehr? Habe ich als Mutter versagt oder irgendetwas falsch gemacht? Wieso bin ich ihr plötzlich so egal, schießt es mir durchs Hirn? Ich weiß, dass das mütterlich-irrwitzige Gedanken sind und versuche, sie in die Rubrik Übermutti-Syndrom abzuschieben. Aber sie begleiten mich bis ins Büro und lassen meine Miene, die durch Jackys Verrat eh schon dunkel umwölkt ist, offenbar aussehen, als sei ich gerade in ein wüstes Gewitter gekommen.
Benni sieht mich erschrocken an. „Was ist denn passiert, Nora? Regnet es draußen?“
Erst jetzt merke ich, dass ich nach dem Duschen meine Haare überhaupt nicht gestylt habe. Und das ist mir wirklich noch nie passiert! Ich gehöre zur Fraktion „Nie ohne Wimperntusche zum Mülleimer“. Meine Haare hängen herunter wie angeklebte Spaghetti.
„Äh, ja, da, wo ich war, war ein richtiges Unwetter“, sage ich und lasse mich mies gelaunt auf meinen billigen Bürostuhl plumpsen, der unter meinem Gewicht aufächzt. Schön, dass man durchs Stillen abnimmt. Und was ist, wenn man nicht stillen konnte?!
Ich starre meinen verdorrten Kaktus an. „Tobias hat es hinter meinem Rücken mit Jacky getrieben, als er noch mit mir zusammen war.“
Benni sieht mich fassungslos an. „Was?! Tobias!? Das ist ja der Hammer! Ich dachte, so was gibt’s nur bei ‚Gute Zeiten, schlechte Zeiten’!“
„Tja. Mein Leben ist eine einzige Seifenblase.“ Ich hänge auf meinem Bürostuhl wie eine verwelkte Tulpe.
Benni starrt mich an, und ich gucke zurück mit diesem Blick: „Jetzt guck nicht so“, aber er guckt noch intensiver, und erst da merke ich, dass er immer wieder zur Tür starrt, und ich folge seinem Blick und da steht … Tobias, mit einem großen, duftenden Strauß weißer Lilien im Arm! Tobias hier?!
Sofort setze ich mich aufrecht hin, streiche meine Spaghetti-Haare zurück und stottere giftig herum. „Was … was machst du denn hier?!“
Tobias kommt unsicher einen Schritt näher, sieht mich sehnsüchtig an, und weiß nicht so recht, was er sagen soll. Er drückt mir einfach den Strauß in die Hand, und da steht zum Glück Benni auf und lässt uns alleine. „Ich muss mal schnell … äh … für kleine Mädchen.“ Und raus ist er.
„Nora, bitte, es tut mir alles so leid, ihr fehlt mir so, bitte, kommt zurück, ich denke, ich kann es, so viele können es, ich denke, ich kann Lisa als mein Kind annehmen. Ich will es doch so!“
Ich starre ihn an, rieche den Lilien und meine Wut im Bauch ist auf die Ausmaße eines unförmigen Zeppelins angeschwollen, der kurz davor ist, mit einem Knall zu explodieren.
„Du denkst, du kannst es?! Du willst es so?! Und wenn nicht?! Wenn du sie nicht lieben kannst?! Wie du mich nie nie nie richtig lieben konntest?! Du bist so ein unsensibler, korrekter, widerlicher Lackaffe, hier!“ Ich drücke ihm den Strauß ins Gesicht, eine Blüte fällt dabei zu Boden.
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