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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Autoren: Sonia Marmen
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gemacht hatte. Das hier war alle Mühe wert gewesen. Mit vor Rührung offenem Mund sah er durch einen Tränenschleier hindurch Bilder aus einer fernen Vergangenheit und suchte in dem Mann, der ihm gegenüberstand, nach dem Kind, das er verloren hatte.
    »Vater …«, brachte Alexander mit zugeschnürter Kehle heraus.
    »Alas … Alasdair … Endlich, mein Sohn!«
    Zutiefst aufgewühlt betrachtete Alexander den Greis, zu dem sein Vater geworden war. Die Krankheit hatte seine Züge entstellt, seinen Blick umwölkt und den Klang seiner Stimme verändert. Als er ihm beim Aufstehen half, hatte er seine zerbrechlichen Knochen und die von Alter und Krankheit geschrumpften Muskeln gespürt. Als er jetzt vor ihm kauerte, fielen ihm die Farben des Tartans auf, den er über der sich mühsam hebenden und senkenden Brust trug. Hier, im dunklen Zimmer und fern von den Engländern, drehte er dem Verbot eine lange Nase. Er strich über den Stoff und verlor sich in den Erinnerungen, die die Farben von Glencoe in ihm aufsteigen ließen.
    »Dein Bruder Angus hat ihn mir vor meiner Abreise geschenkt. Er ist heimlich in einer Spinnerei in Glasgow hergestellt worden.«
    Von seinen Gefühlen überwältigt stöhnte Duncan und klammerte sich noch fester an seinen Sohn.
    »Großer Gott, Alasdair!«
    Alexander sah aus feuchten Augen zu ihm auf. Sein Vater kam ihm so alt vor. Wie alt mochte er sein? Siebzig? Ein paar Jahre mehr? Seine einst männlichen Züge waren an einigen Stellen erschlafft und an anderen ausgehöhlt. Er wirkte zehn, zwanzig Jahre älter, als er war. Es war ein Wunder, dass er die beschwerliche Überfahrt überstanden hatte.
    »Hast du Schmerzen, Vater?«
    Ein leises, spöttisches Lachen kam über Duncans farblose Lippen.
    »Schmerzen? Ja. Aber vor allem schmerzt mich meine Seele. Mein Herz ist müde und lässt mich im Stich, so wie es bei meiner Mutter war. Ich habe nicht die kräftige Konstitution meines Vaters geerbt, der sicherlich …«
    Abrupt unterbrach er sich und hielt die Hand mit dem zerknitterten, verblichenen Papier hoch. Er würde diese Sache bis zum Schluss durchstehen, das hatte er sich geschworen.
    »John hat mir alles erzählt …«, sprach er mit zittriger Stimme weiter. »Warum du nach Culloden nicht zurückgekommen bist, und über Großvater Liams Tod …«
    »Daran bin ich schuld, Vater.«
    Stirnrunzelnd ließ Duncan den Kopf hängen und knüllte den Brief in der Hand.
    »Aber das Gleiche behauptet John … Er hat mir gestanden, dass er auf die Schwarze Garde geschossen und damit das Scharmützel ausgelöst hat.«
    Alexander erinnerte sich an den heftigen Streit, den er darüber mit seinem Zwillingsbruder gehabt hatte, und schlug die Augen nieder.
    »Ich weiß …«, murmelte er. »Mir hat er das ebenfalls gesagt. Aber ich habe auch auf die Soldaten geschossen, Vater.«
    Duncan ließ seine dichten, weißen Augenbrauen wieder sinken und schaute nachdenklich drein.
    »Zwei Schüsse, es waren zwei Schüsse … Genau das dachte ich mir. Der Abstand zwischen ihnen war zu kurz, als dass der zweite das Echo des ersten hätte sein können. Dein Bruder hat geglaubt, du hättest erraten, dass er geschossen hat; und umgekehrt war es wohl genauso.«
    Alexander nickte und wich dem Blick seines Vaters aus, in dem seine Trauer zu lesen stand. Der Alte legte die Hand auf die seines Sohnes.
    »Schön, es war also ein Unfall. Aber warum? Was genau ist passiert?«
    »Ich hatte euch gesehen, wie ihr von Rannoch Moor zurückkamt, und bin den Weg hinaufgestiegen, der zum Coire na Tulaich führt, um mich zu verstecken … Da habe ich die Abteilung der Schwarzen Garde gesehen, die aus der Gegenrichtung kam. Ich habe sie aus reiner Neugierde beobachtet… Dann kam mir plötzlich die Idee, auf sie zu schießen. Das war kein Unfall, Vater. Ich wollte Tante Francis rächen, für das, was die Soldaten ihr angetan hatten… Aber… An diesem Tag bin ich dir wieder einmal ungehorsam gewesen…«
    Alexander legte sein Geständnis mit fast unhörbarer Stimme und gesenktem Kopf ab. Duncan biss die Zähne zusammen und verzog verbittert das Gesicht. Als er jetzt weitersprach, klang seine Stimme ein wenig barsch.
    »Das ist wahr. Mir war aufgefallen, dass die alte Muskete fort war, daher hatte ich das schon vermutet. Ich hätte wirklich nicht übel Lust gehabt, dich wieder meinen Gürtel spüren zu lassen. Du hattest eine ordentliche Strafe verdient! Aber ich hatte deiner Mutter versprechen müssen, nie wieder die Hand gegen dich
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