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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß!
Autoren: Pattrick Strasser
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äußerst bescheiden. In den VIP-Logen werde nur Hummer verzehrt, aber nicht angefeuert. Ein Mitglied hatte in den letzten Spielen sogar die Dauer der Fangesänge über die 90 Minuten gestoppt: »Gegen Frankfurt waren es sechs, gegen Bolton acht Minuten.« Zu wenig also.
    Da legt Hoeneß los. Weil er kocht. Erst ist es nur ein leichtes Brodeln, dann wird es stetig heftiger. Wie ein Topf, der auf einer gerade angeschalteten Herdplatte steht und nun Sekunde für Sekunde mehr zu rutschen und zu hüpfen anfängt, weil das Wasser zu kochen beginnt und schließlich überläuft.
    Hörwick schaut in diesen Momenten auf sein Handy, tippt etwas ein. Dann hebt er den Kopf und hält den Atem an. Hoeneß’ Worte erfüllen mittlerweile die riesige Halle. Das Echo schwirrt in Hörwicks Gedanken hin und her, weil er weiß, was kommen wird. Er quält sich ein Lächeln heraus und murmelt leise vor sich hin: »Das gibt nun ordentlich zu tun in den nächsten Tagen.«
    Und das alles, weil Uli Hoeneß nicht anders kann, als Uli Hoeneß zu sein. Ein Hoeneß ist kein Beckenbauer, der in solchen Situationen einen auf leger und locker machen und von der Schönheit des Lebens schwadronieren kann. Ein Hoeneß ist eben auch kein Rummenigge, der in solchen Momenten den Diplomatenknopf drücken, den beherrschten Staatsmann spielen kann. Bei Hoeneß muss alles sofort raus. Seine Ausbrüche setzt er meist bewusst ein, sie sind stets voller Adrenalin aus seiner Quelle namens Leidenschaft. In Robert Schwan, dem früheren Manager, dem er schon als Spieler über die Schulter geschaut hatte, hatte Hoeneß ein Vorbild im Poltern. »Sicher, das muss ab und zu sein, um Dinge geradezurücken. Ich habe von ihm vor allem gelernt, dass man in diesem Job eine klare Meinung haben muss, die man unverblümt jedem ins Gesicht sagen muss, statt rumzueiern. Nur so gibt man die Richtung vor.«
    Diesmal, auf dieser Mitgliederversammlung, lautet die Devise: Gegenangriff. Ein Funktionär beschimpft die Fans. Er spricht aus, was man sich sonst in einer solchen Situation nur denken darf. Womöglich deshalb mit solcher Inbrunst, weil der Angriff aus den eigenen Reihen gekommen ist. Von der Basis des Vereins, von einem Fan. Kein Lemke, kein Lafontaine hatte ihn angegriffen, kein Daum, kein Lattek – ein einfacher Anhänger stellvertretend für das Heiligtum des Vereins. »Die Fans sind das Allerwichtigste«, hatte Hoeneß lange vor diesem Abend einmal gesagt, »alles, was wir tun, konzentriert sich darauf, dem Fan etwas zu bieten, damit er sich mit dem Verein identifiziert. Wenn du keine Fans mehr hast, kannst du den Laden zumachen. Die Fans sind wir, die Fans sind der FC Bayern.«
    Die Attacke kam also von innen. Der FC Bayern griff den FC Bayern an. Für Hoeneß ein Fall von Verrat. Daher tobte er, als er diese Vorwürfe zu hören bekam. Ironische Zusätze wie »Mit Champagnergläsern kann man keine La Ola machen« und »In der Tiefgarage ist mehr los« von einigen der 1105 anwesenden Mitglieder taten ihr Übriges. In jenen Momenten zündete sein Gehirn ein bengalisches Feuer. »Ich bin ein sehr emotionaler Mensch. Bei mir brannten die Sicherungen durch. Meine Lautstärke war sicher emotional und übertrieben«, sagte Hoeneß später entschuldigend.
    Exakt eine Minute und 50 Sekunden dauerte das Erdbeben am Nockherberg. Der Ausbruch von Hoeneß ist bekannt. Man sieht es noch vor sich, wie er immer atemloser wird, sein steigender Blutdruck die Färbung seines Gesichts unterstützt. Wie er mit erhobenem Zeigefinger gestikuliert und wild mit den Armen rudert. Hier noch einmal zum Nachlesen der genaue Wortlaut samt aller Ähs und emotional-bedingten grammatikalischen Unzulänglichkeiten.
    Der Titel: »Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid?«, Untertitel »Eure Scheißstimmung«. In den Nebenrollen Karl-Heinz Rummenigge und Franz Beckenbauer – doch was haben sie sich eigentlich während der Hoeneß’schen Publikumsbeschimpfung gedacht? Hier, an dieser Stelle, nun weltexklusiv das Protokoll des Nichtausgesprochenen, kursiv hervorgehoben.
    Vorhang auf:
    Hoeneß beginnt zu lästern: »So etwa, so etwa kann ich mir vorstellen, als es vor zehn Jahren bei den Sechzigern übers Grünwalder Stadion ging.«
    Beckenbauer freut sich, beginnt zu sinnieren: »Oh mei, das alte Grünwalder. Des waren noch Zeiten, da habt’s ihr zwei Jungburschen gar nicht drin gespielt.«
    Hoeneß ironisiert: »Da wurde auch diese alte schöne Welt«, er stockt, »lieber geh ich in die Regionalliga,
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