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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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Male bei seinen Visiten begleitet.
    »Ich bin damit aufgewachsen, Pfoten zu verbinden«, sagte er.
    Dakotah freundete sich mit Pat und Marnie an. Pat spielte Gitarre und brachte Dakotah genug Handgriffe bei, dass sie Michael, Row the Boat Ashore klimpern konnte. Marnie hatte eine Filmsammlung, die sie an den Wochenenden anschauten. Marnie hatte eine Kartoffel auf ihre linke Wade tätowiert und kannte jede Menge Kartoffelwitze. Beide erzählten von zu Hause, und schließlich erklärte Dakotah, dass sie von ihren Großeltern aufgezogen worden war, erzählte von Sash und der Trennung und dem Baby.
    »Arme Kleine«, sagte Marnie. »Du hast eine Menge mitgemacht.«
    »Wie«, fragte sie ihre neuen Freundinnen, »kann man Heimweh nach einem Zuhause haben, das man verabscheut?« Sie erinnerte sich an den unspezifischen Staubgeschmack von Steinen und altem Holz, an den sommerlichen Dunst entfernter Waldbrände, an Barytrosen, deren steinerne Blütenblätter aus dem rostfarbenen Boden sprossen. Sie erinnerte sich an die heruntergekommene Stadt, in der an jedem zweiten Gebäude ein verwittertes Schild besagte, dass es zu verkaufen sei.
    »Vielleicht hast du Heimweh nach den Leuten, nicht nach dem Ort«, sagte Pat.
    Natürlich war es so. Das begriff sie sofort. Nicht nur Baby Verl fehlte ihr, sondern sogar die wortkarge Bonita und Verl, der auf seinen schwachen Beinen herumhinkte.
    Sie kaufte einen Fotoapparat, den sie Bonita und Verl mit der Bitte schickte, Baby Verl zu fotografieren. Die Fotos klebte sie zu Dutzenden an ihre Zimmerwand. Sie schrieb lange Briefe an den Kleinen und füllte die Seitenränder mit Symbolen von Küssen und Umarmungen. Zusammen mit Pat und Marnie durchsuchte sie den PX-Laden nach Spielzeug für Kleinkinder, Mini-Bluejeans, Babypyjamas, die mit Panzern und Flugzeugen gemustert waren.
    Sie gingen essen, und Dakotah erfuhr, dass es sich nicht gehörte, die leeren Teller aufeinanderzustellen. »Ich wollte der Kellnerin nur helfen«, sagte sie entschuldigend. Die Leute von den Ranches taten das immer, wenn sie in Big Bob mit ihren Hamburgern fertig waren.
    Eines Abends überredete Pat sie in einem japanischen Lokal, Sushi zu probieren.
    »Was ist das?«, fragte sie beim Anblick des Reishäufchens, auf dem eine orangegelbe Scheibe lag.
    »Das ist Lachs mit Reis und Wasabi, einer Art Meerrettichpaste. Sehr scharf.«
    Sie steckte es in den Mund, und der Fisch war eine Überraschung. »Der ist ja roh!«
    »Er muss roh sein.«
    »Roher Fisch! Ich habe rohen Fisch gegessen!« Es drehte ihr den Magen um, aber sie riss sich zusammen und aß sogar noch einen zweiten Bissen Sushi. Am Tag darauf fiel ihr ein, wie Bonita geschildert hatte, dass Shaina rohe Forelle auf Instantreis gegessen hatte. War es denkbar, dass ihre Mutter irgendwie von Sushi gehört hatte und es ausprobieren wollte - Sushi à la Wyoming? War es denkbar, dass ihre Mutter nicht Wahnsinn zu erkennen gegeben hatte, sondern Neugier auf die Außenwelt? Sie erzählte Pat und Marnie die Geschichte, und sie pflichteten ihr bei - es musste sich um Neugier und Interesse am Exotischen gehandelt haben.
     
    Ein Tsunami aus Lesestoff, Vorträgen, Diaveranstaltungen, Videos, Röntgenaufnahmen, Computeranatomiekursen, Krankheiten, Trauma, Physiologie, Geburtshilfe, Pädiatrie und Wundschock mitsamt einem verwirrenden Schwall medizinischer Fachbegriffe rauschte über sie nieder, und Dakotah konnte sich nicht vorstellen, dass sie die Aufnahmeprüfung für die Feldsanitäterausbildung jemals bestehen würde. Und selbst wenn, erwarteten sie als Nächstes die Erste-Hilfe-Kurse und die Horrorszenarien der Notfallmedizin bei chemischen, Sprengstoff- und Strahlenverletzungen.
    »Vierzig Prozent schaffe ich nie im Leben«, sagte sie gelassen zu Pat; sie musste an Pneumothorax-Punktion und an das Absaugen der Atemwege denken, und beides war ihr ein Graus.
    »Komm schon. Du wirst es schaffen«, sagte Pat, die jede Prüfung glanzvoll bestand. »Das sind Situationsübungen, die es erst richtig interessant machen.« Dakotah bestand die Aufnahmeprüfung mit Ach und Krach. Marnie fiel durch.
    »Überlegen Sie sich, ob Sie nicht lieber zur Militärpolizei wechseln wollen«, sagte der schieläugige Ausbilder mit einer Haut wie eine überreife Banane zu Dakotah. »Der Lazarettdienst liegt Ihnen nicht. Ich wäre alles andere als begeistert, wenn mir die Eingeweide raushingen, und dann käme unsere Dakotah mit den zwei linken Händen und wüsste nicht, was sie tun soll.«
     
    Pat
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