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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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die Augenblicke der Verwandlung. Zuerst waren da nur der bebrillte Schwächling oder der verkrüppelte Zeitungsjunge, die allen Demütigungen ausgesetzt waren, die ihr bemitleidenswertes Dasein mit sich brachte; dann wurde die Verkleidung heruntergerissen, der
starke Held kam zum Vorschein wie ein Ehemann, der in einer Farce des französischen Dramatikers George Feydeau aus dem Schrank springt – Überraschung! –, die Schurken bibberten vor Angst, und die Rabauken konnten einem am Strand nicht länger Sand ins Gesicht schmeißen. Diese Vorstellung, andere Leute in die Irre zu führen, gefiel uns sehr. War es nicht toll, wie die Helden durch die Straßen streiften, und keiner der Erwachsenen erkannte sie? Wir wollten auch solche Geheimnisse haben – vor allem die Fähigkeit, insgeheim etwas zu tun, was die Erwachsenen verblüffen würde.

    In dieser Hinsicht war Plastic Man, ein Superheld der Vierzigerjahre, unser Liebling. Er konnte sich strecken und dehnen, wie er wollte, weil er aus Plastik war – er war in einen Bottich mit Chemikalien gefallen, was in der Moderne ungefähr dasselbe bedeutet, wie in der Antike einen Gott zum Vater oder zur Mutter zu haben oder wie Achilles in den Fluss Styx getaucht zu werden. Dadurch konnte er die Form eines jeden Gegenstands annehmen, ob einer Lampe oder eines Aschenbechers, und so alles belauschen, was die Ganoven sich einfallen ließen, um dann plötzlich aufzutauchen, seine wahre Gestalt anzunehmen und die Bösewichte mit seinem Körper einzuwickeln wie mit einem Gummiband. Wahrscheinlich war Plastic Man der listigste, witzigste und am wenigsten gewalttätige Superheld überhaupt, eher Puck denn Oberon, eine Art lustiges Partyspielzeug.
    Diese Faszination, die die Kunst der Verkleidung ausstrahlt, ist uralt. Die Götter traten häufig in Menschengestalt auf, um unbemerkt auf Erden zu wandeln. (Diese Angewohnheit wurde später auch manchen Sultanen und Königen der Sagenwelt zugesprochen, und sogar einigen Heiligen, insbesondere dem Heiligen Petrus.) Die erste literarische Figur, die sich bewusst verkleidet, oder jedenfalls die erste, die (soweit ich weiß) keine Gottheit ist, ist der verschlagene Odysseus, der sich nach jahrelanger Abwesenheit als zerlumpter Bettler tarnt, um in seinen Palast zurückzukehren, wo zahlreiche unverfrorene junge Männer seine Herdentiere verspeisen, seine Dienstmägde vergewaltigen und seine Frau zur Heirat drängen. Wie groß ist dann das allgemeine Erstaunen, als er seinen Superbogen spannt – die magische Waffe, die niemand sonst handhaben kann –, wieder in seine Rolle als König schlüpft und den ganzen liederlichen Haufen
umbringt! Die beiden Himmelsbewohner, die sich besonders für Odysseus interessieren, sind übrigens Athene, die Intellekt, Scharfsinn und Tatkraft schätzt, und unser alter Freund Hermes, der Gauner unter den Göttern, der Schalk und List repräsentiert.
    Womit wir wieder bei den fliegenden Kaninchen wären, die ich mit sechs oder sieben gezeichnet und zu den Helden meiner Geschichten gemacht habe. Jetzt wissen wir, warum der Planet, auf dem sie zu Hause waren, Unfugland hieß; obwohl ich damals nicht hätte sagen können, warum ich mich für diesen Namen entschieden hatte. Wie es für Künstler üblich ist, kam er mir einfach … richtig vor. Ballons, Flugkünste, Superkräfte, Unfug – das passte alles zusammen. Auch wenn meine Superhelden wahrscheinlich die einzigen mit langen Schlappohren und flauschigen weißen Schwänzen waren.
    Margaret Atwood ist kanadische Schriftstellerin. Bekannt wurde sie vor allem mit ihrem dystopischen Roman »Der Report der Magd«.

Ray Douglas Bradbury wurde am 22. August 1920 in Waukegan (Illinois) geboren, einer nördlich von Chicago gelegenen Kleinstadt mit damals 30 000 Einwohnern. Der Vier- bis Zwölfjährige schuf sich eine eigene magische Welt, gespeist aus dem unentwegten Besuch von Jahrmärkten, Zirkussen, Kinos; Zauberkünstler – Mr. Blackstone im schwarzen Samtumhang, Mr. Electrico mit weißem, zu Berge stehendem Haarschopf – und Stummfilmstars – Lon Chaney als Glöckner von Notre Dame oder Phantom der Oper  – spielten Hauptrollen darin. Frühe erfolgreiche Kurzgeschichten wie »The Big Black and White Game« (1945; The Best Short Stories of 1946 ) oder »Homecoming« (1946; O. Henry Award Prize Stories 1947) schöpften aus den Empfindsamkeiten, den Ängsten und Freuden dieser Kindheitstage, spielten mit ihnen, verfremdeten sie. Rays Onkel Einar etwa
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