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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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für die Kommunikation zuständig war (weshalb auf Bell-Telefonbüchern aus den Vierzigerjahren ein Jüngling mit Lockenkopf prangt, der traditionsgemäß geflügelte Sandalen und einen geflügelten Helm trägt, aber zugleich leicht modernisiert wurde – um seinen Unterleib schlingen sich züchtig dicke Telefonkabel). Hermes war außerdem der Gott der Wanderschaft und geleitete als solcher die Seelen der Toten in die Unterwelt; auch ihn hatte man also nicht allzu gern an seiner Seite. Darüber hinaus gab es noch Nike, die Siegesgöttin, genau genommen allerdings die Göttin, die den Sieger verkündete – eine weitere Botin. Auch sie hatte Flügel. Aber ein Sieg für die eine Seite bedeutet, wie wir wissen, eine Niederlage für die andere.
    In der jüdisch-christlichen Tradition werden himmlische Boten »Engel« genannt, wobei àngelos nichts anderes als das griechische Wort für Bote, Abgesandter ist. Das hebräische Wort hat dieselbe Bedeutung. In den Schilderungen der Bibel verfügen Engel nur selten über Flügel; meist treten sie in Gestalt einfacher Menschen auf, wenn auch die Seraphim im Buch Jesaja sechs Flügel besitzen und manche Engel im Neuen Testament ganz offensichtlich fliegen oder sich an
andere Orte teleportieren können. Spätere Darstellungen in der Kunst haben die Flügel der zweiflügeligen Engel höchstwahrscheinlich bei Nike oder Iris geklaut oder – im Falle der jüngeren Cherubim – von Eros, dem kleinen Gott der Liebe. Ob mit oder ohne Flügel, Engel veranschaulichen das beunruhigende Wesen der Boten sehr gut. Schließlich ist es bestimmt nicht lustig, zu erfahren, dass die eigene Heimatstadt in Bälde von Feuer und Schwefel zerstört wird, oder dass du, eine unverheiratete Jungfrau, demnächst schwanger wirst. Auf dem Gesicht der Jungfrau Maria in Gemälden der Renaissance spiegelt sich meist Besorgnis, nicht Freude. Iris, Hermes oder auch die jüdisch-christlichen Engelsboten brachten nun mal gute wie schlechte Nachrichten.
    Dass himmlische Wesen fliegen können, bedeutet nicht unbedingt, dass man ihnen über den Weg trauen sollte. Wie die Sprüche der Orakel sind auch ihre Botschaften oft äußerst mehrdeutig.
    Tricks und Transformationen
    Hermes, der Bote mit den Flügeln an Helm und Sandalen, ist nicht nur der Gott der Kommunikation, er ist außerdem der Gott der Diebe, Lügen und Späße. Das ist eine weitere interessante Seite vieler fliegender Nichtmenschen: ihr seltsamer Sinn für Humor, ihre Freude daran, Menschen zu täuschen und ihnen Streiche zu spielen. In den Dramen Shakespeares gibt es, wie ich bereits erwähnt habe, zwei bemerkenswerte nichtmenschliche Wesen, die fliegen können: Puck im »Mittsommernachtstraum« und Ariel im »Sturm«. Beide sind Boten und Diener, die die Pläne und Anordnungen von Oberon und Prospero ausführen; und beide sind Verwandlungskünstler, die es faustdick hinter den Ohren
haben. Haben sie ihren Ursprung in dem geflügelten Eros (bzw. Amor), dem kindlichen Gott der Liebe und Boten der Göttin Venus, der für seine Streiche berüchtigt ist? Heutzutage mag Amor Pralinenschachteln bringen, aber früher feuerte er seine spitzen Pfeile auf Menschen ab, die daraufhin vor lauter Lust und obsessivem Verlangen den Verstand verloren, während Amor sie auslachte. Die Dschinn aus »Tausendundeiner Nacht« sind ähnliche Diener und Boten, genauso die geflügelten Affen im »Zauberer von Oz«: Sie sind so mächtig, dass sie höchstens durch Magie zu zähmen sind. Die in moralischer Hinsicht anrüchigen Feen der englischen Folklore sind ihnen durchaus ähnlich: Offenbar gehört es zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, sich zu verkleiden und Menschen an der Nase herumzuführen. Puck ist ein gutes Beispiel dafür, findet er es doch unglaublich komisch, sich in einen Schemel zu verwandeln und dann davonzuflitzen, wenn sich jemand auf ihn setzen möchte. Närrische Sterbliche zum Narren zu halten, ist für ihn ein Riesenspaß.
    Ähnliche Vorlieben hegten auch die frühen Superhelden. Natürlich neigten sie nicht alle zu bösen Streichen, doch bei ihren Transformationen spielten List und Täuschung zweifellos eine gewisse Rolle – niemand sollte wissen, dass Clark Kent in Wirklichkeit Superman war und umgekehrt. Was uns Kinder am meisten interessierte, waren nicht etwa die Abenteuer, in denen eine Jungfrau gerettet oder Gotham vor dem Untergang bewahrt werden musste, ja nicht einmal das wilde Handgemenge, wenn Held und Schurke gegeneinander antraten, sondern
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