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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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Wilson und sein spöttischer Zwilling sind die bekanntesten literarischen Beispiele. Zudem wird spekuliert, dass diese Paarungen von Gut und Böse zumindest teilweise in realen Personen wurzeln
könnten – zum Beispiel in dem Diebesfänger Jonathan Wild, der insgeheim als Meisterverbrecher agierte, oder in Diakon Brodie aus Edinburgh, einem respektablen Gentleman, dessen mitternächtliche Untaten vermutlich Stevenson inspirierten.
    Aber das sind die finsteren Doppelgänger. Für das schwache, eher alberne Alter Ego, das dem starken, tugendhaften Helden als Fassade dient – Clark Kent und Superman sind hier ein geläufiges Beispiel –, sollten wir uns wahrscheinlich eher dem »Scarlet Pimpernel« zuwenden – tagsüber ein feiger Stutzer, nachts ein Kämpfer für die Gerechtigkeit mit Nerven aus Stahl – und möglicherweise auch dem »Grafen von Monte Christo« von Alexandre Dumas, einem Helden, der unterschiedliche Decknamen annimmt, darunter auch den eines exzentrischen englischen Lords, um die Tugendhaften zu belohnen und die Verbrecher zu bestrafen. Und Sherlock Holmes, der klügste Kopf von allen, der große Spurenverfolger und Verbrecherjäger, war ein Meister der Verkleidung und schlüpfte oft in die Rolle anderer Menschen, sei es die eines schwächlichen, netten alten Pfarrers oder die eines arbeitslosen Stallburschen.
    Außer diesem »normalen« Alter Ego gehörte es sich für einen Superhelden der Vierzigerjahre, einen oder auch zwei mächtige Feinde zu haben. Jung machte kein Geheimnis daraus, dass ein Großteil seiner Kartierung der menschlichen Psyche auf Literatur und Kunst gründete. Seine Theorie des »Schattens« zum Beispiel hatte eine Menge mit »Hoffmanns Erzählungen« gemeinsam wie auch mit manchen anderen Doppelgängergeschichten, die ich bereits erwähnt habe. Eine Comicfigur, die ein Doppelleben führt und in einen Kampf zwischen Gut und Böse verwickelt ist, mag durchaus Jung’sche Charakteristika aufweisen, und Batman ist sogar eine geradezu perfekte Fallstudie.

    Batman hat drei Hauptfeinde, die für einen Jungianer ganz offensichtlich Projektionen von Bruce Wayne darstellen, die Wayne noch nicht verarbeitet hat. (Mit Blake gesprochen könnte man die beiden männlichen Gegenspieler als »Geisterwesen« bezeichnen und die weibliche Gegenspielerin als »Emanation«.) Für Bruce sind Frauen ein zweischneidiges Schwert – er ist ein eingefleischter Junggeselle, in seinem Leben gibt es keine zarte Beziehung zu einem netten Mädchen à la Lois Lane. Doch die sinnliche und begehrenswerte Catwoman, mit der er gelegentlich herumplänkelt, kann nichts anderes sein als die dunkle Seite seiner Jung’schen »weiblichen Seele«: Sogar ein Kind erkennt, dass es zwischen den beiden funkt.
    Der sadistische Kartenspieler Joker mit seiner unheimlichen Clownsgestalt ist, im Jung’schen Sinne, Batmans »Schatten« – seine eigene Faszination für Kostüme und Streiche ins Bösartige gewendet. Daneben gibt es einen weiteren Schattenschurken – den Pinguin –, der sich in einen Anzug kleidet, der an zeitgenössische Kapitalismuskarikaturen erinnert, samt Gamaschen, Zigarettenspitze und Zylinder. Sein ziviles Alias trägt den dreifachen, prätentiösen, alt-plutokratischen englischen Namen Oswald Chesterfield Cobblepot. Der Pinguin entspricht dem reichen Playboy Bruce Wayne, nur eben ins Widerliche übertrieben.
    Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Superman heiß …
    Danny DeVito als Kapitalismuskarikatur – der Pinguin in Batman Returns von 1992
    Dann hätten wir da noch den Wunderknaben Robin, das Mündel von Bruce. Ist Bruce schwul? Daran ist nicht einmal zu denken! Aus dem Blickwinkel der Mythologie ist Robin ein Elementargeist, wie Puck und Ariel bei Shakespeare – der Vogelname deutet seine Verbindung zur Luft an. Robins Funktion innerhalb der Handlung besteht darin, den überaus gewitzten Batman bei der Durchführung seiner Pläne
zu unterstützen. Jungianer würden Robin als Peter-Pan-Figur bezeichnen – er wird nie erwachsen –, die das verdrängte Kind in Bruce Wayne repräsentiert, dessen Eltern, wie wir wissen, ermordet wurden, als er noch sehr jung war, was das emotionale Wachstum von Bruce hemmte.
    Beschäftigt man sich eingehender mit Comicsuperhelden, gelangt man zu diesen mehr oder minder ergiebigen Einsichten. Genau wie Jung selbst können Superhelden durch eine hoffmanneske magische beziehungsweise rosarote Brille betrachtet und damit als Teil ein und
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