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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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Damoklesschwert der atomaren Selbstvernichtung der Erde.
    Unter dem Eindruck der ersten sowjetischen Atombombenexplosion wie der Ankündigung Präsident Trumans, nunmehr die Entwicklung der Wasserstoffbombe voranzutreiben, verfasste Ray Bradbury eine Erzählung, deren Titel er einem 1920 – in seinem Geburtsjahr – publizierten Gedicht Sara Teasdales (1884–1933) entnahm: »There Will Come Soft Rains«. Als die Geschichte am 6. Mai 1950 erstmals erschien, nahm sie nicht mehr als eine Seite Platz ein; die Wochenzeitschrift Collier’s , deren damalige Auflage über 2,5 Millionen Exemplare betrug, druckte sie unter der Rubrik »Collier’s Short Short« – kürzer noch als kurz.
Fünfeinhalb Jahre später präsentierte das Utopia Science Fiction Magazin sie seinen Lesern (weniger als einem Zehntel der Collier’s -Käufer) in einer ersten deutschen Fassung, einfühlsam übertragen von Walter Spiegl. Menschen kamen in der Handlung nicht mehr vor, ein »titanischer Augenblick« hatte sie ausgelöscht, ihre Schattenrisse eingebrannt in die Wand des elektronisch programmierten Einfamilienhauses, dessen sinnlos sich wiederholende Routineabläufe die Erzählung schilderte:
    Zehn Uhr. Die Sonne brach durch den Regen. Das Haus stand allein in einer Trümmerwüste, das einzige Haus, das noch intakt war. In der Nacht lag über der Stadt ein radioaktives Glühen, das meilenweit zu sehen war …
    Irgendwo in den Wänden klickten Relais …
    Einundzwanzig Uhr fünf. Eine Stimme tönte von der Decke der Bibliothek: »Mrs. McClellan, welches Gedicht möchten Sie heute Abend gern hören?« Das Haus schwieg.
    Schließlich sagte die Stimme: »Da Sie keinen besonderen Wunsch haben, werde ich ein beliebiges Gedicht auswählen.« Leise Musik begann die Stimme zu untermalen. »Wie ich mich erinnere, bevorzugen Sie die Gedichte von Sara Teasdale … ›Es werden kommen leise Regen, der Duft der Erde, des Himmels Segen … Kreisende Schwalben aus der Ferne so weit, Rotkehlchen im feurigen Federkleid … Sie würd’ es nicht stören, weder Vogel noch Baum, dass vergangen die Menschheit, verblasst der Traum …‹«
    Und um zehn Uhr begann das Haus zu sterben.
    Die Anfänge in den Pulps: Planet-Stories -Cover von 1946

    »There Will Come Soft Rains« spiegelte Bradburys Furcht vor dem Missbrauch der Wissenschaft, von ihm selbst in eine ungewöhnliche Allegorie gekleidet:
    »Ich sehe die selbstzerstörerische Hälfte des Menschen, die blinde Spinne, die in der giftigen Düsternis fiedelt, die Träume voller Atompilzwolken träumt. Alles regelt der Tod, wispert sie und schüttelt dabei eine Handvoll Atome wie ein Halsband dunkler Perlen.«
    Die nukleare Selbstvernichtung bedroht bei Bradbury freilich stets nur die technische Zivilisation – jene »Science-Fiction-Kultur« (»Cry the Cosmos«, Life , 1962), in der Millionen von »Schlafwandlern« mit Musikstöpseln in den Ohren die Bürgersteige bevölkern, Abermillionen automatischer Vorrichtungen uns täglich bedienen, der »natürliche« Fußgänger zum Eindringling, der »unnatürliche« Mensch in seinem »fahrbaren Stahlgehäuse« zum Normalfall geworden ist. Einfachheit, Ursprünglichkeit, Naturnähe bergen dagegen
Chancen des Entkommens und Neubeginns. In Bradburys gleichfalls 1950 entstandener Erzählung »The Highway« symbolisierte zunächst Mexiko diese überlebensfähige Alternative:
    »Ich habe nichts gehört, Señor«, sagte Hernando behutsam.
    »Der Krieg!«, rief der junge Mann so laut, als könnte niemand ihn hören. »Er ist da, der Atomkrieg, das Ende der Welt!«
    »Señor, Señor«, beschwichtigte Hernando.
    »Danke, danke für Ihre Hilfe. Auf Wiedersehen«, rief der junge Mann.
    Der Wagen ratterte davon. Hernando blieb lange stehen … Dann ging er zum Haus und griff nach seinem Pflug. Er stemmte den Pflug in die Furche und befahl dem Esel scharf: »Burrrrrr-o!« Zusammen schritten sie über den fruchtbaren Acker, über das bestellte Land am tiefen Fluss.
    »Was er wohl gemeint hat, die ›Welt‹?«, sann er laut.
    »Scheint der Mond in heller Pracht«: Auftakt zu den späteren »Mars-Chroniken«-Erzählungen in Thrilling Wonder Stories 1948

    Bradburys Blick auf Mexiko lag eine sechswöchige Autofahrt durch das Land zugrunde, die er 1945 mit einem Freund unternommen hatte (infolge einer traumatischen Kindheitserinnerung an einen tödlichen Autounfall erwarb er selbst nie einen Führerschein). Zur eigentlichen Projektionsfläche für seine Variante des Mythos
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