Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Titel: Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
allem durfte ich jetzt nicht die Nerven verlieren. Es gab ein paar grundlegende Regeln, wie man sich in Situationen wie diesen verhalten sollte – und die erste war, einen kühlen Kopf zu bewahren, wollte man nicht Gefahr laufen, ihn zu verlieren …
    Die zweite war herauszufinden, wo zum Teufel ich überhaupt war!
    Das Stationsgebäude lag halb vom Nebel verborgen, trotzdem konnte ich erkennen, dass er nicht besonders groß war. Die Kirche, die schemenhaft dahinter zu sehen war, übrigens auch nicht. Wenn es danach ging, befand ich mich mitten in der Prärie.
    Der Bahnhof selbst war aus einfachen rotbraunen Backsteinen errichtet, die allerdings fingerdick mit fettem, schwarzen Ruß bedeckt waren. Nur ein einzelner weißer Fleck schien mit einer gewissen Sorgfalt freigehalten zu werden. Als ich näher trat, las ich den Namen der Station: Salisbury.
    Es hätte genauso gut Haddersfield oder Little Fittledean oder Schlozglump heißen können. Der Name sagte mir nämlich überhaupt nichts. Es gab einfach keinen Grund für mich, hier zu sein.
    Während ich mir noch den Kopf darüber zerbrach, wühlte ich mit der Rechten in meiner Hosentasche herum und fühlte plötzlich ein Stück Papier zwischen den Fingern. Ich zog es hervor, in der vagen Hoffnung, dass es mir einen Anhaltspunkt geben könnte – aber es steigerte meine Verwirrung eher noch.
    Was ich gefunden hatte, war nichts anderes als eine Fahrkarte: eine Fahrkarte zweiter Klasse für die einfache Fahrt von London nach Salisbury.
    Sonst nichts. Ich war froh, als ich beim Durchsuchen meiner Jackentasche ein Bündel Pfundnoten und einige goldene Guineen fand. Wenigstens hatte ich mich mit genügend Geld versorgt, um nach London zurückfahren zu können. Und genau das hatte ich vor.
    Hinter mir erscholl ein schriller Pfiff. Der Zug setzte sich fauchend und kreischend in Bewegung. Eine fettige schwarze Rußwolke drang aus dem Schornstein der Lokomotive und hüllte mich ein. Hustend und würgend arbeitete ich mich daraus hervor und schwor mir nie mehr über Howards geliebte Virginias zu lästern. Die waren ja noch Gold gegen den Kohlenrauch einer Dampflok der britischen Eisenbahn. Andererseits hatte ich natürlich selten eine Eisenbahn in meinem Salon …
    Ich klopfte einige hartnäckige Rußpartikel von meinem Anzug und blickte mich suchend um. Nicht weit entfernt lehnte einer der dienstbaren Geister gemütlich an seiner Schubkarre und musterte mich mit einer Miene, die zeigte, dass er sich kein Geschäft mit einem Mann versprach, der als einzigen Gegenstand einen Spazierstock bei sich trug.
    Ich zauberte eine Münze aus meiner Tasche und schnippte sie ihm zu. Er schnappte sie mit einer Geschwindigkeit, die seine anscheinliche Trägheit Lügen strafte, warf einen schnellen Blick darauf und entblößte seine Zahnstummel zu einer Grimasse, die ich mit einiger Mühe als Grinsen einordnen konnte.
    »Zu ihren Diensten, M’lord?«
    An seinem Dialekt erkannte ich, dass ich mich irgendwo in Hampshire aufhalten musste. Na, wenigstens hatte ich es nicht weit nach Hause.
    »Wann fährt der nächste Zug nach London ab?«, fragte ich.
    »Vor einer Minute«, erklärte er fröhlich. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht darüber gelacht, aber im Moment war mir nicht zum Scherzen zumute. Ganz und gar nicht.
    Und meine Gedanken mussten wohl ziemlich deutlich auf meinem Gesicht abzulesen sein, denn das Grinsen des Gepäckträgers gefror förmlich.
    »Aber M’lord«, fuhr er hastig fort. »Sie … Sie sind doch gerade eben aus Richtung London gekommen«, stotterte er, deutete aber dann meinen Blick genau als das, was er bedeuten sollte, nämlich dass ihn das nichts anginge und meinte schließlich kleinlaut: »Also heute Abend geht keiner mehr. Da müssen sie schon bis morgen früh warten. Um fünf Uhr fährt der erste los. Wenn ich ihnen einen guten Gasthof empfehlen darf: Der Rote Ochse ist gleich um die Ecke.«
    »Danke«, antwortete ich unfreundlich, während ich mich innerlich schüttelte. Fünf Uhr morgens! Was dachte sich der Kerl dabei? Zivilisierte Menschen pflegen um diese Zeit zu Bett zu gehen!
    »Fahren nicht später noch Züge nach London. So um drei, vier Uhr?«, fragte ich ihn hoffnungsvoll.
    »Wohl, wohl, M’lord. Fünf nach drei kommt der Eilzug aus Plymouth hier durch.«
    Fünf nach drei … nun, das war genau der Zug, den ich brauchte, um vorher noch gemächlich frühstücken und den Tag ohne ungesunde Hast beginnen zu können. Ich bedankte mich, wandte mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher