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Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod

Titel: Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zusammenzubrechen. Flammen leckten gegen den Himmel und die Hitze wurde nun auch hier fast unerträglich, aber Howard sah nicht einmal mehr hin. Sein Blick war auf das Gesicht des Kindes gerichtet und ein eisiger Schauer durchfuhr ihn.
    Der Junge hatte Roberts wache Augen, und der Haarflaum war schwarz und ungewöhnlich dicht, und –
    »Mein Gott«, flüsterte Howard. »Das … das kann doch nicht -«
    Fassungslos fuhr er abermals herum und starrte auf das lodernde Haus. Für einen ganz kurzen Moment, den Bruchteil einer Sekunde nur, glaubte er den Strom reiner mentaler Energie zu sehen, der sich, einer Nabelschnur gleich, aus dem Gebäude wand, das Kind traf – und im nächsten Moment abriss.
    Und über dem linken Auge des Kindes begann sich eine kaum fingerbreite, schlohweiße Strähne zu bilden, die sich wie ein gezackter Blitz bis zu seinem Scheitel emporzog!
    Howard schloss die Augen. Erleichterung und unendliche Trauer stritten in seiner Seele miteinander. Noch einmal sah er – wie in einer Vision – Robert Craven vor sich, sein schmales Gesicht mit dem sorgsam gestutzten Bart und der gezackten Strähne im Haar.
    Eine einzelne Träne lief über Howards Wange, als er das Kind fest an sich presste. Er hörte kaum mehr das Donnern und Krachen des zusammenstürzenden Hauses, spürte nicht die gnadenlose Hitze der Flammen, die noch einmal in einem feurigen Crescendo zum Himmel emporschlugen.
    Robert Craven war tot, das wusste er in diesem Augenblick mit unerschütterlicher Gewissheit.
    Robert war tot.
    Doch der Hexer lebte weiter.
     
    Es sind jetzt neun oder zehn Blitze, die wie Fäden eines entsetzlichen Spinnennetzes aus purer Energie in Priscyllas Händen zusammenlaufen. Ich weiß nicht, wie viele genau. Ich kann nicht mehr zählen. Selbst diese kleine Anstrengung ist zuviel für meinen Geist.
    Ich sterbe.
    Mein Leben zählt nur noch Sekunden, bestenfalls Minuten, aber irgendwie weiß ich auch, dass es zuvor geschehen wird, dass Priscylla – das entsetzliche, unmenschliche Ding, das von ihr Besitz ergriffen hat – dafür sorgen wird, dass ich es miterlebe.
    Wieder raste ein Blitz durch das Haus und brennt sich in das SIEGEL, das jetzt die Form einer gewaltigen grün leuchtenden Energiekugel angenommen hat. In ihrem Inneren … bewegt sich etwas. Etwas so Entsetzliches, dass mein Geist sich weigert, seine wirkliche Form zur Kenntnis zu nehmen.
    Ich muss … etwas tun.
    Ich bin nicht weit von ihr entfernt, nur ein paar Schritte, und doch könnten es ebenso gut Meilen sein. Meine Beine sind taub. Irgendetwas in meinem Rücken ist zerbrochen. Unterhalb meines Bauches spüre ich nichts mehr. Meine Beine brennen, aber ich fühle nicht einmal mehr den Schmerz.
    Dann fällt mein Blick auf etwas, das neben mir liegt.
    Mein Stockdegen …
    Ganz kurz blitzt ein Gedanke hinter meiner Stirn auf: Ich weiß jetzt genau, dass ich ihn nicht mitgebracht habe, als ich hierher gekommen bin. Jetzt ist er da.
    Und er beginnt sich zu verändern …
    Der gelbe Kristall in seinem Knauf beginnt zu glühen, erstrahlt in einem schwefeligen, unangenehmen Licht. Schließlich pulsiert er wie ein unheimliches, schlagendes Herz aus Energie.
    Eine letzte Chance? Ein letztes Erbe meines Vaters, der all dies vorausgesehen hat und mir eine allerletzte Waffe hinterließ, das Entsetzliche doch noch zu verhindern? Oder ein weiterer, böser Scherz Priscyllas? Aber ich muss es versuchen.
    Meine Hände hinterlassen blutige Abdrücke auf dem Teppich, als ich nach dem Degen greife. Der Stahl fühlt sich kalt an, gleichzeitig ist er von etwas … Fremdem erfüllt, etwas, das fast so schrecklich ist wie das grüne DING in Priscyllas Hand. Vielleicht stärker.
    Der nächste Blitz. Rings um mich herum brennt das Haus wie eine Fackel, aber irgendetwas, eine unbeschreibliche, finstere Macht, schützt Priscylla und mich vor der Hitze, die die Bücher in den Regalen aufflammen und den Teppich zu grauer Asche zerfallen lässt. Das körperlose DING in der Energiekugel nimmt immer mehr und mehr Gestalt an. Ich erkenne peitschende Tentakel, einen amorphen, aufgedunsenen Balg, von plumpen Elefantenfüßen getragen, glotzende gelbe Augen über einem entsetzlichen Papageienschnabel …
    Ich muss es tun.
    Aber ich kann es nicht. Meine Beine sind gebrochen, meine Hände nur mehr nutzlose Klumpen Fleisch, in denen kein Gefühl ist, und der Weg zu Priscylla ist so weit, so entsetzlich weit. Aber ich muss. Noch Sekunden – und das Unbeschreibliche wird Wirklichkeit.
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