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Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Titel: Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Verschmelzen zu beschreiben ist. Etwas aus ihr griff nach meiner Seele und verband sich mit etwas in mir; und ich sah und wusste …
     
    Das Mädchen saß seit Stunden stumm am Fenster des kleinen, eher schäbig als bürgerlich eingerichteten Hotelzimmers und blickte auf die Straße hinab. Die Sonne war aufgegangen, während es die stumme Wacht angetreten hatte, und die Straßen hatten sich mit Menschen und Kutschen gefüllt, aber das Mädchen hatte sich nicht geregt.
    Starr wie eine Statue aus Stein hatte es auf seinem Stuhl gehockt; nur dann und wann war der Blick seiner sonderbar dunklen, beinahe pupillenlosen Augen nach Westen geirrt, ohne dass sich der Kopf dabei bewegt hätte. Die junge Frau hätte tot sein können, so unbeweglich saß sie da.
    In den Zimmern und Korridoren des Hotels war das Leben erwacht: Schritte, Stimmen und Gelächter waren durch die dünnen Wände mit den billigen Papiertapeten gedrungen, der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee, der aus dem Frühstücksraum heraufzog; später dann hatte eines der Zimmermädchen an die Tür geklopft und war wieder gegangen, nachdem ihr niemand aufgemacht hatte.
    Auf nichts von alledem hatte die dunkelhaarige Fremde in irgendeiner Form reagiert. Nicht einmal ihre Lider hatten sich bewegt; ihre Augen blickten starr wie die einer Toten auf die Straße hinab und selbst ihre Körpertemperatur war gesunken, im gleichen Maße, in dem das Feuer im Kamin kleiner geworden und die Kälte durch die schlecht isolierten Mauern hereingekrochen war.
    Aber sie war nicht tot, ganz und gar nicht, wenn auch der Körper, dessen sie sich bediente, schon vor zwei Jahrzehnten zum letzten Mal geatmet und sich bewegt hatte. Waren auch ihre Lebensfunktionen auf ein Minimum herabgesunken, ganz wie bei einem Tier, das sich zum Winterschlaf zusammengerollt hatte, so war ihr Geist noch bei vollem Bewusstsein, wandelte auf dunklen Pfaden und sah Dinge, die einem normalen Menschen unverständlich und bizarr erschienen wären.
    Irgendwann im Laufe des Morgens erwachte sie aus ihrer sonderbaren Starre, aber es schien nur ihr Körper zu sein, der den Weg in die Wirklichkeit zurückfand. Ihr Blick blieb trüb und die Augen bewegten sich noch immer nicht, sondern lagen wie starre matte Kugeln in den eingesunkenen Höhlen. Nur um ihre Lippen spielte ein dünnes, selbstzufriedenes Lächeln.
    Langsam stand sie auf und wandte sich zur Tür, verließ das Zimmer aber erst, nachdem sie einen Moment an der Tür gelauscht und sich davon überzeugt hatte, dass sie allein und niemand auf dem Flur war.
    Niemand wusste wirklich, wer das Zimmer bewohnte: Der Portier unten in der Halle glaubte, es an ein frisch verheiratetes Paar vermietet zu haben, und das Personal lächelte nur anzüglich, wenn die Frage aufkam, warum seit zwei Tagen niemand das Zimmer verlassen oder auch nur den Zimmerservice gerufen hatte. Und die Fremde wollte, dass es noch eine Weile so blieb.
    Rasch wandte sie sich nach links, ging mit gesenktem Blick und schnellen, weit ausgreifenden Schritten den Korridor entlang und blieb vor der Treppe stehen. Sie zögerte, ging aber dann weiter, als sie Stimmen aus dem Erdgeschoss hörte und wusste, dass der Portier mit neuen Gästen beschäftigt war und ihr nicht mehr als einen flüchtigen Blick schenken würde.
    Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, sich seinen Blicken vollends zu entziehen, so, wie es ihr ein Leichtes war, zur gleichen Zeit an zwei oder auch mehr verschiedenen Orten zu sein. Aber sie hatte gelernt, mit ihren Kräften hauszuhalten und stets mit einem Minimum an Aufwand auszukommen. Die perfekteste Tarnung war noch immer gar keine Tarnung. Es gab keine bessere Maske als die des Gewöhnlichen.
    Das Mädchen durchquerte die Halle, ging jedoch nicht zum Ausgang, sondern zu der schmalen Tür neben der Portiersloge, hinter der sich die Küche und die anderen, nicht für die Gäste des Hotels bestimmten Räumlichkeiten befanden.
    Es schloss die Tür hinter sich, sah sich einen Moment suchend in dem halbdunklen, niedrigen Korridor um und steuerte schließlich eine weitere Tür an. Dahinter lag eine steile, ausgetretene Holztreppe, die in den Keller hinabführte. Die morschen Stufen knackten und ächzten unter seinem Gewicht.
    Die Fremde erreichte einen Vorratsraum und durchquerte ihn, ging auch durch den angrenzenden Weinkeller, ohne den verstaubten Flaschen und Fässern mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen, und trat schließlich in einen feuchtkalten, von Moder und fauligem
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