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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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umrandeter Schatten über mir ab, aber ich hörte sein ungläubiges Keuchen und seine Gestalt verkrampfte sich vor Überraschung.
    »Zum Teufel!«, entfuhr es ihm. »Was machen Sie hier? Wer sind Sie überhaupt?«
    Wieder vergingen einige Sekunden, ehe ich die Hand herunternahm und durch den Vorhang von Tränen, der meinen Blick verschleierte, zu ihm aufsah.
    Und dann dauerte es noch länger, bis das Gefühl der Beunruhigung, das seine Worte in mir ausgelöst hatten, verging und einem lähmenden Schrecken Platz machte.
    »Verdammt, antworten Sie!«, verlangte der Fremde noch einmal. »Wie kommen Sie hier herein und wer sind Sie?«
    Aber ich antwortete auch diesmal nicht. Nicht, dass ich es nicht wollte – ich konnte nicht.
    Denn ich wusste die Antworten selber nicht, die er von mir hören wollte …
     
    Kälte hing in der Luft wie unsichtbarer Nebel und von den Wänden hallten die Echos winziger harter Rattenfüßchen wider. Es war nicht sehr hell; durch die schmalen, vergitterten Fenster hoch unter der Decke drang zwar Licht herein, aber der Raum war sehr groß und von Schatten erfüllt, die das Licht zu absorbieren schienen. Als verberge sich hinter den grauen Schleiern etwas, das die Helligkeit und die Botschaft von Leben, die mit ihr kam, gierig verschlang.
    Howard hob müde den Kopf, sog tief die Luft zwischen den Zähnen ein und zerrte zum wahrscheinlich hundertsten Mal an den dünnen Lederriemen, die seine Handgelenke auf den Rücken fesselten.
    Zum hundertsten Male vergeblich. Der Mann, der ihn gefesselt hatte, verstand sein Handwerk; er konnte die Arme nicht einmal bewegen, geschweige denn, seine Hände befreien.
    »Lassenses bleim«, nuschelte eine tiefe Stimme hinter ihm. Sie klang kräftig in der Stille, die in dem feuchten Kellerverlies herrschte. Trotzdem schwang ein hörbarer Unterton von Schmerz darin.
    Howard wandte den Kopf und sah einen Moment schweigend auf den gefesselten Riesen neben sich herab.
    »Sie tun sich bloß weh«, fuhr Rowlf fort. »Der Kerl weiß, wie man’n Mann fesseln muss.«
    Howard verzichtete auch diesmal auf eine Antwort. Sie waren seit beinahe acht Stunden in diesem Keller, aber sie hatten kaum ein Dutzend Sätze miteinander gewechselt. Die Angst hatte sich in ihre Seelen gekrallt und machte jede Unterhaltung unmöglich.
    Er schloss die Augen, fuhr sich mit der Zungenspitze über die geschwollene, aufgeplatzte Unterlippe und atmete hörbar ein. Selbst das Luftholen tat weh. Wahrscheinlich hatten sie ihm eine oder gar mehrere Rippen gebrochen.
    Er konnte sich kaum erinnern, wie alles gekommen war. Die beiden schwarz gekleideten Männer waren wie ein lebender Sturmwind über ihn und Rowlf hereingebrochen. Alles, an was er sich erinnern konnte, waren verschwommene Bilder an wirbelnde Arme und Beine.
    Ein leises Stöhnen drang in seine Gedanken. Mühsam wandte er den Kopf, rutschte unbeholfen mit gefesselten Armen und Beinen herum und verdrehte den Hals, bis er auf den Mann herabsehen konnte, der auf der anderen Seite lag, so gründlich gefesselt wie er und Rowlf, aber womöglich noch schlimmer zugerichtet.
    Es war ein bizarrer Anblick. Jetzt, nachdem er Zeit und Muße gehabt hatte, das Gesicht des anderen in aller Ruhe zu studieren, war die Ähnlichkeit nicht mehr ganz so frappierend. Trotzdem hatte er im ersten Moment wieder das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Der Mann neben ihm hatte sein Gesicht.
    Stöhnend öffnete der Fremde die Augen, versuchte sich aufzusetzen und sank mit einem schmerzerfüllten Keuchen zurück.
    »Geben Sie sich keine Mühe«, sagte Howard amüsiert. Eine morbide Heiterkeit stieg in ihm empor. Fast hätte er gelacht.
    »Was … o Gott, was ist passiert?«, murmelte der Fremde. Erneut versuchte er sich aufzusetzen – und diesmal gelang es ihm. Als sein Gesicht in den schmalen Streifen grauer Helligkeit geriet, der durch eines der Fenster fiel, sah Howard, dass sein linkes Auge zugeschwollen und die Wange darunter blau und grün angelaufen war. Außerdem löste sich sein Bart ab.
    »Das hätte ich gerne von Ihnen gewusst«, antwortete er ruhig. »Warum erzählen Sie mir nicht alles? Zeit genug zum Reden haben wir, denke ich. Wer sind Sie?«
    »Mein Name ist Lovecraft«, sagte der andere undeutlich. Der Blick seines offenen Auges war verschleiert; er schien noch nicht ganz in die Wirklichkeit zurückgefunden zu haben. »Howard Lovecraft. Ich -«
    »Hören Sie auf!«, unterbrach ihn Howard ärgerlich. »Das ist wirklich nicht der richtige Augenblick
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