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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Verwirrung an, die seinen ohnehin kaum noch verhohlenen Zorn noch zu steigern schien.
    Ich hätte schreien können. Es war nicht so, dass ich an Amnesie litt. Ich wusste sehr gut, wer ich war und vor allem, was geschehen war. Die Erinnerungen und Fakten waren da, aber jedes Mal, wenn ich danach greifen, meinen Namen oder irgendetwas anderes aussprechen wollte, schien eine unsichtbare Hand durch mein Bewusstsein zu fahren und alles fortzuwischen. Ich fühlte mich in der Lage eines Mannes, der unversehens aufwacht und merkt, dass er nicht mehr gehen kann.
    Tornhill seufzte. »In Ordnung«, sagte er bissig. »Wenn Sie gerne Spielchen spielen, vergeuden wir eben unsere Zeit.« Er grinste ungefähr so freundlich wie eine Schlange, die gerade ein besonders fettes Kaninchen erspäht hatte – setzte sich vor mir auf die Schreibtischkante und stützte sein Doppelkinn auf die Faust. Tornhill war der mit Abstand fetteste Mensch, den ich jemals gesehen hatte. Er bewegte sich nur langsam – und wenn er ging, dann floss er eher von einem Punkt zum anderen, als dass er lief. Aber im Gegensatz zu den meisten Dicken war er weder gutmütig noch gemütlich.
    »Ihren Namen kenne ich sowieso«, sagte er.
    Nun, da wusste er mehr als ich. Natürlich kannte ich meinen Namen. Er lautete …
    »Tut mir Leid, Mister Tornhill«, murmelte ich. »Ich -«
    »Inspektor Tornhill«, verbesserte er mich kalt. »Inspektor Tornhill von Scotland Yard. Mordkommission, um genau zu sein.«
    Mordkommission? Für einen Moment durchbrach eisiger Schrecken das schwarze Gewusel, in das sich meine Erinnerungen verwandelt hatten. Aber ich vermochte das Wort nicht wirklich zu verarbeiten.
    »Also, Mister Andara«, fuhr Tornhill fort, ein triumphierendes Glitzern in den Augen. »Ihren Namen kennen wir, wie gesagt.«
    »Andara?« Ich sah auf. Andara war eindeutig nicht mein Name. »Wie kommen Sie darauf?«
    Tornhill lächelte kalt. »Weil Ihr Bild unten in der Halle hängt, mein Lieber«, erklärte er.
    Irgendetwas in meinem Bewusstsein machte hörbar »Klick« und plötzlich war ein Teil meiner Erinnerungen frei. Ich sah das Bild vor mir, das kleine Namensschildchen aus Messing darunter und das Gesicht darauf.
    »Das bin nicht ich«, widersprach ich. »Der Mann auf dem Bild ist mein Vater. Mein Name ist … Craven. Robert Craven.«
    »Craven?« Tornhill runzelte die Stirn und sah mich scharf an. Aber er widersprach nicht. Unter dem Bild stand auch ein Datum, soweit ich mich erinnerte – und dass ich keine fünfundfünfzig Jahre alt war, begriff er wohl.
    »Ihr Vater also«, sagte er nach einer Weile. »Dann sehen Sie sich wirklich ähnlich.« Die Art, in der er die Worte aussprach, gefiel mir nicht. Und als ich aufsah, bemerkte, ich, wie sein Blick an meiner weißen Haarsträhne hing. Die meisten Menschen, die mich zum ersten Mal sehen, können sich einer abfälligen Bemerkung über den gezackten weißen Blitz in meinem Haar nicht enthalten. Die allermeisten mochten es für eine Modetorheit und mich folglich für einen leicht bescheuerten Geck halten; einige wenige ahnten wohl, dass es mit dieser Strähne etwas Besonderes auf sich hatte, und sehr wenige mochten auch instinktiv spüren, dass es kein angenehmes Geheimnis war, das sich hinter der schlohweißen Strähne verbarg. Ich hatte das sichere Gefühl, dass Tornhill zur letzten Gruppe gehörte.
    Wenn ich mich nur erinnern könnte! Es war alles da, greifbar und nah, aber zwischen mir und meinem Denken schien eine unsichtbare Wand zu sein.
    »Dann gehört Ihnen also dieses Haus«, fuhr Tornhill nach einer Ewigkeit fort.
    Ich nickte. Die unsichtbare Hand fuhr wieder durch mein Gehirn, tastend, sondierend, suchend. Jemand spielte Scrabble mit meinen Erinnerungen, aber dieser Jemand musste Analphabet sein. »Was … ist passiert?«, fragte ich.
    Tornhills linke Augenbraue rutschte ein Stück nach oben, wie ein haariger Wurm, der seine Glatze hinaufkroch. »Sie wissen es wirklich nicht?«, fragte er. Seine Stimme klang noch immer kalt, aber schon merklich freundlicher als bisher. Einer seiner Assistenten – es waren allein drei hier in der Bibliothek und den Geräuschen nach zu schließen musste sich noch eine ganze Armee draußen im Haus aufhalten – trat neben ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Später!«, knurrte Tornhill und scheuchte den Mann mit einer unwilligen Geste fort.
    »Was passiert ist?«, fragte er, wieder an mich gewandt. »Nun, eigentlich hatte ich gehofft, eine Antwort auf diese Frage von
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