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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wirklichkeit zurück und vertrieb für einen Moment den Schleier aus Schwäche und Müdigkeit, der sich um meine Gedanken gelegt hatte.
    Wir trieben dicht vor dem Kai, nur wenige Fußbreit von dem brennenden Boot entfernt. Eine dichtgedrängte Menschenmenge säumte den Kai; Steine und andere Wurfgeschosse flogen zu uns herunter und ich sah, wie Rowlf getroffen wurde.
    »Verbrennt sie!«, brüllte die Menschenmenge. »Verbrennt die Hexer! Tötet sie!«
    Der Hagel von Wurfgeschossen verstärkte sich.
    Und dann sah ich etwas, das mir schier das Blut in den Adern gerinnen ließ. Drei, vier Männer rollten unter dem johlenden Beifall der anderen ein Fass herbei. Eine Axt wurde geschwungen und traf krachend auf das dünne Blech – und ein breiter Strom goldgelben Petroleums ergoss sich ins Wasser des Hafenbeckens!
    »Nein!«, brüllte Howard. »Schwimmt! Schwimmt um euer Leben!«
    Es war sinnlos. Ich stemmte mich mit aller Macht gegen die Gewalt der Dünung, aber das Petroleum breitete sich zehnmal schneller auf der Wasseroberfläche aus, als ich zu schwimmen imstande war, und die Wellen trugen mich fast ebenso schnell zurück, wie ich vorwärtskam.
    »Verbrennt sie!«, brüllte der Chor. »Tötet sie! Tötet sie! Tötet sie!«
    Eine Fackel flog durch die Luft. Wie ein brennender Stern segelte sie, sich langsam in der Luft überschlagend, auf das Wasser heraus, erreichte den höchsten Punkt ihres Fluges und sank wieder herab. Ich atmete ein, so tief ich konnte, warf mich nach vorne und tauchte, im gleichen Moment, in dem die Fackel die Wasseroberfläche und das darauf schwimmende Petroleum berührte.
    Mit einem einzigen, ungeheuren Schlag fing das Petroleum über unseren Köpfen Feuer. Ein grelles, orangerot flackerndes Licht ließ das Wasser rings um uns herum aufleuchten, während die Feuerwand über uns mit wahnsinniger Geschwindigkeit zum Ufer zurückraste. Die Flammen mussten selbst die Männer und Frauen dort oben gefährden und wahrscheinlich würde der halbe Hafen abbrennen, aber daran dachte der tobende Mob in diesem Moment bestimmt nicht.
    Ich tauchte tiefer, sammelte die letzten verbliebenen Kraftreserven in meinem ausgelaugten Körper und versuchte ein Ende des lodernden Feuerteppichs über mir zu erkennen. Der Druck auf meine Lungen wuchs. Ein unsichtbarer stählerner Reif schien um meine Brust zu legen und sich langsam zusammenzuziehen. Ich spürte wie meine Kräfte schwanden, machte eine letzte verzweifelte Schwimmbewegung und kämpfte mit aller Macht gegen das Verlangen den Mund zu öffnen und zu atmen.
    Es ging nicht mehr. Meine Arme erlahmten. Der Schmerz in meinen Lungen wurde unerträglich und vor meinen Augen begannen buntschillernde Flecke und schwarze Nebel zu wogen. Ich wusste, dass ich sterben würde, wenn ich inmitten des brennenden Petroleumteppichs auftauchen würde. Aber das Ende des Flammenmeeres war noch dreißig Yard entfernt. Vielleicht waren es auch nur zwanzig, aber das spielte keine Rolle mehr. Genausogut konnte es auf der anderen Seite der Erde sein.
    Mit dem bisschen Kraft, das mir noch geblieben war, drehte ich mich auf den Rücken und stieß mich zur Oberfläche empor.
    Die Flammen empfingen mich mit einem brüllenden Willkommen. Hitze, die die Grenzen des Vorstellbaren überstieg, schlug über mir zusammen und die Luft, die ich atmen wollte, schien sich in geschmolzenen Stahl verwandelt zu haben.
    Und dann, plötzlich, war es vorbei. Die Flammen erstarrten. Die Hitze verschwand von einer Sekunde auf die andere und das Brüllen der aufgeputschten Menschenmenge brach so abrupt ab, als wäre eine unsichtbare Tür zwischen ihnen und mir zugeschlagen worden.
    Es dauerte einen Moment, bis ich aufhörte zu schreien, und es dauerte noch länger, bis ich begriff, was geschehen war. Das heißt – begreifen tat ich es nicht. Alles, was ich konnte, war, ungläubig auf die zur Reglosigkeit erstarrte Menschenmenge am Ufer zu blicken und die meterhohen, gelbroten Flammen anzustarren, die das Hafenbecken in einen lodernden Vulkankrater zu verwandeln schienen.
    Sie bewegten sich nicht mehr. So, wie die Menschen am Ufer, wie das Wasser, in dem ich vor Sekunden noch mit aller Macht gegen den Sog der Brandung gekämpft hatte, wie die tiefhängenden grauen Wolken am Himmel, die wie auf einer fotografischen Aufnahme zu reglosen Schattengebilden geworden waren, waren auch sie erstarrt, wie von einem bizarren Zauber mitten in der Bewegung eingefroren. Es war, als wäre die Zeit stehengeblieben.
    Eine
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