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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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laufen sollte, so schnell und so weit ich konnte, aber stattdessen setzte ich mich – fast gegen meinen Willen – in Bewegung und trat in das Zimmer hinein. Die Kälte hüllte mich ein wie ein gläserner Mantel und in meinen Beinen machte sich ein kribbelndes, unbeschreiblich widerwärtiges Gefühl breit, als ich in den Nebel eindrang. Es fühlte sich an, als kröchen Millionen winziger Spinnen über meine Haut.
    »Sie sind wahnsinnig, Tremayn«, murmelte Howard. »Sie wissen nicht, was Sie getan haben.«
    »O doch, ich weiß es«, widersprach Tremayn. »Ich tat, was getan werden musste.«
    »Sie werden sterben!«, sagte Howard.
    Tremayn nickte ungerührt. »Wahrscheinlich«, sagte er. »Aber was zählt ein einzelnes Leben, noch dazu das eines Menschen?« So, wie er das Wort aussprach, hörte es sich an wie eine Beschimpfung. »Sie kommen zu spät, Lovecraft. Es ist geschehen. Die Macht der wahren Herren dieser Welt wird wieder auferstehen, größer und allumfassender als zuvor. Und es gibt nichts mehr, was Sie dagegen tun könnten.«
    Ich verstand nicht, was er meinte, aber seine Worte brachten irgendetwas in mir zum Klingen, das gleiche unsichtbare Etwas, das ich am vergangenen Abend bereits gespürt hatte, als ich den Dämon aus dem Geist des Mädchens verjagte. Und so wie gestern fühlte ich mich plötzlich wieder wie ein hilfloser Zuschauer, ein allenfalls geduldeter Gast in meinem eigenen Körper, dessen Willen in die hinterste Ecke seines Bewusstseins zurückgedrängt worden war. Ohne mein Zutun setzten sich meine Beine in Bewegung. Ich sah, wie sich meine Hände hoben und nach Tremayn griffen, sah die Wut in seinen Augen und hörte den ungläubigen Schrei, als er wie von einer unsichtbaren Gewalt gepackt und mit mörderischer Kraft zurückgeschleudert wurde.
    »Robert!«, keuchte Howard. »Es ist dein Tod!«
    Ich hörte seine Worte, aber ich war unfähig, darauf zu reagieren oder auch nur zu antworten. Langsam trat ich auf den Tisch zu, umrundete ihn und blieb, die Hände in einer fast beschwörenden Geste ausgestreckt, vor dem Buch stehen. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Ich wollte schreien, aber nicht einmal das konnte ich. Meine Hände bewegten sich wie von selbst, näherten sich den aufgeschlagenen Buchseiten, verharrten einen halben Zentimeter darüber – und senkten sich weiter …
    »Nein!«, kreischte Tremayn. »Tun Sie es nicht, Sie Narr! Sie werden alles zunichte machen!«
    Meine rechte Hand berührte das Buch. Es war ein Gefühl, als hätte ich ins Herz einer glühenden Sonne gegriffen. Es war kein Schmerz. Keine Hitze oder Kälte oder sonst eine körperliche Empfindung.
    Es war Hass, der alles überstieg, was ich jemals erlebt hatte, auf alles, was lebte und fühlte. Ich taumelte, schrie auf und versuchte, meine Hand vom Einband des Buches zu lösen, aber es ging nicht. Meine Finger klebten wie angewachsen an dem schwarzen Leder und eine unendlich fremde Kraft pulsierte durch meinen Arm, fraß sich wie weißglühende Lava in mein Bewusstsein und ließ mich schreien, schreien, schreien … Wie in einer bizarren, unwirklichen Vision sah ich, wie Howard und Tremayn gleichzeitig herumwirbelten und auf mich zustürzten.
    Tremayn war um den Bruchteil einer Sekunde schneller. Seine Faust traf Howard am Kinn und schleuderte ihn zurück und fast gleichzeitig klatschte seine andere Hand auf die meine herab und versuchte sie vom Einband des Buches loszureißen.
    Irgendetwas geschah. Es ging zu schnell, als dass ich wirklich begriff, was es war – es war wie das blitzartige Überspringen eines Funkens, ein Gefühl, als entlüde sich die aufgestaute Energie in meinem Inneren in einem einzigen, gewaltigen Schlag, als sich unsere Hände berührten. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich ein Licht zu sehen, ein winziges, unerträglich grelles Licht, das aus meinen Fingerspitzen brach und sich in seinen Körper fraß, dann wurde Tremayn abermals von einer unsichtbaren Faust gepackt und herumgeworfen. Aber diesmal stürzte er nicht zu Boden, sondern blieb, wie von unsichtbaren Händen gehalten, starr und in unnatürlich verkrümmter Haltung stehen.
    Tremayns Körper begann von innen heraus zu glühen, erst rot, dann gelb, schließlich in einem unerträglich grellen, blauweißen Licht, alles in einer einzigen, schrecklichen Sekunde. Eine Welle glühend heißer Luft fauchte durch das Zimmer, ließ das Eis an den Wänden verdampfen und die Fensterscheibe zerspringen, und plötzlich schoss eine
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