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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schienen, erfüllte mich mit Unbehagen, ohne dass ich sagen konnte, warum. Vielleicht hatte ich in den letzten Wochen einfach zu viel erlebt. Ich hatte die Vorstellung, dass ich der Sohn eines Hexers war und Dinge wie Zauberer und Dämonen real existierten und in die Welt der Menschen eingreifen konnten, akzeptiert, weil ich es musste. Aber das hieß nicht, dass ich sie schon verarbeitet hatte. Der Spruch, dass man sich an jeden Schrecken gewöhnt, wenn er nur lange genug andauert, ist nicht wahr, im Gegenteil. Nach einer Weile fängt man an, hinter jedem Schatten eine Gefahr und in jedem Geräusch eine Bedrohung zu vermuten.
    »Jemand kommt«, murmelte Rowlf.
    Ich sah auf, trat einen halben Schritt auf die Straße hinaus und blickte in die Richtung, in die er gewiesen hatte, zurück, dorthin, wo wir hergekommen waren. Im ersten Moment konnte ich weder etwas Außergewöhnliches sehen noch hören. Aber Rowlf schien über schärfere Sinne zu verfügen als ich, denn nach ein paar Augenblicken hörte ich Hufschlag, dann begann sich der Schatten eines einzelnen Reiters gegen das Schwarzgrau des Waldes abzuheben.
    Der Mann kam in scharfem Tempo näher und zügelte sein Tier erst wenige Schritte vor unserer Kutsche. Das Pferd stampfte unruhig, und der Wind trug den scharfen Geruch seines Schweißes zu mir. Er musste sehr schnell geritten sein.
    »Guten Abend, die Herren«, sagte er steif. »Sie haben Schwierigkeiten?«
    Die Frage war rein rhetorisch. Rowlf hatte das Pferd vollends abgeschirrt, während Howard und ich dem Fremden entgegengetreten waren, aber das Tier scheute noch immer und zog schmerzhaft das rechte Vorderbein an.
    »Ich fürchte«, antwortete Howard. »Eines unserer Pferde hat sich einen Stein in den Huf getreten. Und das zweite allein wird die Kutsche nicht ziehen können.«
    Der Mann hob den Kopf und blickte für die Dauer von zwei, drei Herzschlägen auf unser Fahrzeug. Obwohl ich sein Gesicht in der Dunkelheit nur als hellen Fleck erkennen konnte, entging mir der Blick, mit dem er unsere Kalesche musterte, keineswegs. Es war ein Blick, dem nicht die geringste Winzigkeit entging. Ein Blick, der mir nicht gefiel. Aber ich schwieg.
    »Ein denkbar ungünstiger Platz für einen Halt«, sagte er, nachdem er seine Musterung beendet hatte. »Bis zur nächsten Stadt sind es fast fünf Meilen. Sie sind auf einer weiten Reise?«
    Howard ignorierte seine Frage und rang sich sogar zu einem freundlichen – wenn auch spürbar kühlen – Lächeln durch. »Wir dachten an die Ortschaft, durch die wir gekommen sind«, sagte er. »Vielleicht gibt es dort …«
    »Dort gibt es absolut niemanden, der Ihnen helfen wird«, unterbrach ihn der Reiter kopfschüttelnd. Howard runzelte die Stirn und der Fremde fuhr nach einer Sekunde fort: »Die einzigen Pferde, die es dort gibt, sind ein paar Ackergäule, die Ihre Kutsche zuschanden schlagen würden, wenn Sie versuchten, sie einzuspannen. Und die fünf Meilen bis nach Oban«, fügte er mit einer Handbewegung nach Norden hinzu, »schaffen Sie nicht mit nur einem Pferd.«
    Howard seufzte. »Dann werden wir wohl zu Fuß gehen müssen«, murmelte er. »Jedenfalls können wir nicht hier übernachten.«
    Der Fremde lachte, ein dunkler, unsympathisch klingender Laut. Sein Pferd scheute und scharrte unruhig mit den Vorderläufen, aber er brachte es mit einem brutalen Ruck zur Ruhe. »Das können Sie nicht«, bestätigte er. »Aber Sie müssen auch nicht zu Fuß gehen. Mein Haus ist keine halbe Meile von hier entfernt. Wenn Sie mit meinem Gästezimmer Vorlieb nehmen wollen, können Sie die Nacht dort verbringen. Morgen Früh kümmere ich mich darum, dass Sie ein frisches Pferd bekommen. Oder besser gleich zwei«, fügte er mit einem Seitenblick auf das zweite, noch angespannte Tier hinzu.
    Howard zögerte. Ohne ihn anzusehen spürte ich, dass ihm der hochgewachsene Fremde mindestens ebenso suspekt vorkam wie mir. Aber wir hatten keine große Wahl.
    »Das … wäre überaus freundlich von Ihnen Mister …«
    »Boldwinn«, sagte der Fremde. »Lennon Boldwinn, Sir. Zu Ihren Diensten.«
    Howard deutete eine Verbeugung an. »Phillips«, sagte er. »Howard Phillips. Mein Neffe Richard, und Rowlf unser Hausdiener und Kutscher.« Nacheinander deutete er auf mich und Rowlf, gleichzeitig warf er mir einen raschen, beschwörenden Blick zu. Ich widerstand im letzten Moment der Versuchung zu nicken. Sicher, es gab keinen Grund, Boldwinn zu misstrauen – aber es gab auch keinen Grund ihm zu trauen.
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