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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Annegrit Arens
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hatte, noch genießbar war. Die Bilder, die ihn verfolgten, sollten zerfließen und sich auflösen. Es war nicht zum Aushalten.
     
    »Arschloch!« brüllte Till. Das Fahrrad hatte sich an der Ampel vor seine Kühlerhaube geschoben, ein feines Ratschen, er hatte es genau gehört, der Typ hatte sein Auto demoliert.
    Till riß die Fahrertür auf und sprang auf die Straße. Die Gestalt mit Sturzhelm wollte eben wieder aufsteigen, die Ampel war auf »grün« umgesprungen, hinter Till hupte es. »Nichts da, Freundchen!« Till bekam die Gestalt an dem Lederkoller zu fassen, er packte fest zu und zog. Als der Radfahrer auf der Straße lag, begannen die Leute sich zu erregen. Die Polizei kam. »Wollen Sie Anzeige wegen Körperverletzung erstatten?« fragte der Polizist den Radfahrer. »Ja«, antwortete der, »so einer hat es verdient.« Die Personalien wurden aufgenommen, natürlich hatte Till niemanden verletzen wollen, erst recht hatte er nicht zugetreten, er hatte noch nie etwas für Gewalt übrig gehabt. »Erzählen Sie das dem Richter«, der Polizist klappte seinen Block zu. »Arschloch!« Der Polizist drehte sich zu Till um. »Wie bitte?« Till schüttelte den Kopf, »nichts!« murmelte er und stieg in sein Auto.
     
    »Anna?« Sie würde ihn nicht mehr drankriegen. Till rief noch zweimal. Alles blieb still im Haus. Till stellte die Cognacflasche auf den Wohnzimmertisch, die Schuhe hatte er wie immer neben der Tür ausgezogen. Er ging ins Bad und stellte den Wasserhahn an, das war auch Gewohnheit. Immer, wenn er vom Büro heimkam, ging er als erstes ins Bad und wusch sich die Hände und das Gesicht und putzte sich die Zähne, zuletzt gurgelte er mit Mundwasser, danach war er ein anderer Mensch.
    Das Mundwasser hatte einen komischen Geschmack. Heute hatte alles einen komischen Geschmack. Er gurgelte trotzdem dreimal, tief in den Rachen hinein. Auf dem Couchtisch entdeckte er neben der Cognacflasche sein Kräftetonikum; er konnte sich nicht erinnern, es hierher gestellt zu haben. Normalerweise stellte er es im Küchenregal ab. Er nahm jeden Morgen und jeden Abend eine Kappe voll, es war eine Spezialmischung. Der Apotheker war ein Mann in seinem Alter; es gab diese spezielle Art der Verständigung zwischen Männern. Till füllte eine Kappe, schluckte, der seltsame Geschmack in seinem Hals blieb. Till griff nach der Cognacflasche. Er hatte kein Glas. Er stand noch einmal auf, um sich einen Schwenker aus der Vitrine zu holen. Als er zurückkam, glaubte er, leise Musik zu hören, sehr leise. Garantiert fläzte Anna sich wieder auf ihrem Bett und ließ diesen Phil Collins dudeln. »Ruhe!« brüllte er, »Ruhe!« Vielleicht wollte sie ihn auch nur nach oben locken. Nicht mit mir, dachte er, dir gehe ich nicht mehr ins Netz, und er nahm einen kräftigen Schluck. Der komische Geschmack in seinem Mund ließ nach. Er griff wieder nach der Flasche, der Cognac plätscherte in das bauschige Glas und etwas auch auf den Tisch, er bemerkte es nicht. Als er sein drittes Glas geleert hatte, setzte die Wirkung ein. Rapide, er war Alkohol nicht gewöhnt. Er hätte vorher etwas essen sollen.
    Das Drehen in seinem Kopf wurde schneller, er starrte auf seine Hände. Die lagen breit auf den Sessellehnen, aber innendrin drehten sie sich auch, es war ein sehr seltsames Gefühl, Hände zu haben, in denen es schleuderte und kreiselte. Er glaubte, sie festhalten zu müssen, aber als er mit der rechten Hand greifen wollte, fand er sie nicht. Er kniff die Augen zu.
    Als er sie wieder öffnete und hochsah, alles sehr langsam, weil das Kreisen nun auch seinen Hals und seinen Brustkorb erfaßt hatte, war da Monika. Genau vor ihm, sehr groß, und die Musik von oben dröhnte plötzlich sehr laut. Die Frau war nackt bis auf diesen Tüllfetzen, ihr Kopfhaar war gefärbt, unten war sie viel dunkler. Er kicherte, weil ihm auffiel, daß Monika viereckig war und an den Knien abgeschnitten, er hatte noch nie eine Frau ohne Unterschenkel und Füße vor sich gehabt.
    Dann kicherte Till nicht mehr. Ramona trat neben die viereckige Monika, dann Andrea, dann Anette, zuletzt kam Anna. Die vier Frauen waren nackt. Nackt und stumm standen sie vor ihm. Es war wie auf einer Bühne, aber es war sein Wohnzimmer, soviel wußte er noch.
    »Weg!« sagte er und versuchte das Bild mit der Hand wegzuwischen. Seine Hand gehorchte ihm nicht. Sie wirbelte und kreiste, ein Sog aus wirbelnden Kreisen und Bällen zog durch seinen Körper, dann waren es Ringe, die sich zu Spiralen
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