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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Annegrit Arens
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Anna faßte in ihre Handtasche, der kleine Terminkalender war noch da, im Anhang befand sich ein Adreßteil. »Entschuldigt mich«, sagte Anna. »Ich muß mal eben telefonieren.« Eigentlich hatte sie seit ihrer Ankunft auf dem Hamburger Flughafen an nichts anderes gedacht. Im Telefonbuch hatten unter »David Hansen« zwei Nummern gestanden. Natürlich konnte sie ihn nicht zu Hause anrufen. Er war verheiratet und hatte einen Sohn, den kleineren David. Es war kurz nach neun. Jetzt müßte er in der Firma sein. Es meldete sich eine Frauenstimme.
    »Hallo«, die Stimme wurde ungeduldig. Sie hatte sich korrekt gemeldet, und Anna hatte nicht geantwortet. Es war albern, aber Anna hatte sich fest vorgestellt, sofort seine Stimme zu hören. Sie hatte auch etwas Angst gehabt, seine Stimme am Telefon fremd zu finden. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, daß sich eine andere Person meldete, sie hatte immer nur an David gedacht.
    »Ich möchte Herrn Hansen sprechen, Herrn David Hansen«, sagte sie endlich.
    »Und mit wem spreche ich?«
    »Mit Anna.«
    »Anna …?«
    »Anna Liebold«, sagte Anna hastig. Am liebsten hätte sie ganz aufgelegt.
     
    »Anna? Du?«
    »Ja. Ich.«
    »Ich habe dich oft anrufen wollen.«
    »Ja.«
    »Ich hab’s nicht geschafft. Ich bin nur ein kleiner David.«
    »Die Zeichnung in der Kneipe«, begann Anna, aber dann wußte sie nicht mehr weiter. »Danke!«
    »Ich bin ein paarmal dort gewesen und habe mir ausgemalt, du kämst herein.«
    »Ich bin in Hamburg.«
    »Ich komme.«
    »Jetzt sofort?«
    »Jetzt sofort.« Er legte auf. Anna legte auch auf. Dann fiel ihr ein, daß er nicht wissen konnte, wo sie war. Sie rief noch einmal in seiner Firma an, wieder meldete sich die Frauenstimme von eben, aber es machte Anna nichts mehr aus.
    »Ich bin im ‹Elysee›, Zimmer dreihundertelf«, sagte sie.
    »Ich bin ein Trottel.«
    »Nein, du bist David.«
    »Ich komme.«
     
    Er kommt! Anna rannte ins Bad, sie zog ein Kleenex aus der Schachtel und tupfte sich über das Gesicht, ihre Haut glänzte, sie hatte geschwitzt, sie zog ihre Bluse aus, rappelte ungeduldig an dem Flüssigseifenspender, es kam zuviel, der cremige Schaum pappte unter ihren Achseln; als sie den Hebel des Wasserhahns hochzog, um sich abzuwaschen, streifte sie das Parfümflakon, das Glas zersprang, ein Sprühregen »Chanel No 15«. Scheiße! Jetzt roch sie wie aus dem Puff. Es klopfte an der Tür. Es klopfte wieder, heftiger.
    »Ja. Sofort.« Anna drehte den Türknauf.
    »Hattest du eine Erscheinung.« fragte Anette. Es war nur Anette.
    Anna hatte die drei Frauen völlig vergessen. »Ja. Nein. Mir ist etwas dazwischen gekommen.«
    Anette schnupperte. »Ein bißchen reichlich Parfüm«, sagte sie. »Und du solltest deine Bluse richtig zuknöpfen.«
    »Bitte«, sagte Anna.
    »Verstehe. Viel Spaß!«
    Anna drückte die Tür zu. Er kommt! Gleich neben der Tür war die Garderobe mit einem großen Spiegel. Anna sah sich darin, der zweite Knopf im ersten Knopfloch, am Hals klebte noch ein Rest Seifenschaum, sie wischte darüber, die Kleinmädchenaugen blieben. »Ich spinne«, sagte sie und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus, aber dieses »ich spinne« hörte sich genauso an wie »er kommt«. Sie hatte gerade ihre Bluse in Ordnung gebracht und den Kamm einmal durch die Haare gezogen, als das Telefon surrte. »Ein Herr Hansen erwartet sie in der Lobby.«
    Sie eilte nach unten.
    Sie hatte David nur ein einziges Mal gesehen, es war Karneval gewesen. Ein Mann mit Pappnase und spärlichem Flaumhaar, das Gummi von dieser fürchterlichen Nase hatte einen roten Strich auf der Kopfhaut zurückgelassen, sie hatte mit dem kleinen Finger darübergestreichelt, und er hatte »hm« gesagt, daran erinnerte sie sich noch genau.
    »Anna.« Er sagte es und war noch ein paar Schritte von ihr weg, dann war er bei ihr, er sagte noch einmal »Anna«, er streckte beide Arme vor und ließ sie wieder fallen. Nur dieses »Anna«, sonst nichts.
    »David«, sagte sie. »Kleiner David?«
    »Ganz kleiner David«, sagte er. Nun mußten sie beide lachen. Es tat gut. Am liebsten hätte Anna gar nicht mehr aufgehört zu lachen.
    »Sollen wir etwas trinken gehen?« fragte er.
    »Ja. Gern.« Wenn er gefragt hätte, ob sie schwimmen gehen oder auf einen Berg steigen wollte, hätte sie nichts anderes gesagt. Sie war da und gleichzeitig weg, in ihr hatte sich der David mit der Pappnase eingenistet. »Kannst du nicht noch mal deine gräßliche Pappnase anziehen?« fragte sie, nachdem er
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