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Hexenkuss

Hexenkuss

Titel: Hexenkuss
Autoren: Debbie Viguié , Nancy Holder
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eigentlich kaum gebraucht hatte. Michael Deveraux wusste, dass er unglaublich gut aussah. Seine äußere Erscheinung war ein wenig exotisch, sehr französisch, mit tief liegenden, seelenvollen Augen, in die Frauen nur zu gerne schauten, einem fein gemeißelten Gesicht und kantigem Kinn mit Kinnspalte - wie seine Kinder. Dass seine Nase ein wenig zu schmal war, verlieh ihm einen besonderen Reiz - eine seiner Eroberungen hatte gesagt, sie wirke »aufreizend grausam«. Das gefiel ihm. Viele Frauen fühlten sich von Grausamkeit angezogen, die sie irrtümlicherweise für Stärke hielten.
    Mit seinen weichen schwarzen Locken, dem gepflegten Bart und dem schlanken Körper, durch stundenlanges Training sehnig und gestählt, war er für Marie-Claire eine Versuchung gewesen, das wusste er - schon von dem Moment an, als sie sich im Kindergarten ihrer Kinder begegnet waren. Obwohl ihre Zauberkräfte damals noch geschlummert hatten, hatte sein magisches Blut den Ruf des ihren gespürt. Er hatte sofort gewusst, dass an dieser Dame mehr dran war als ein hübsches Gesicht, ein französischer Name und ein gewisser egoistischer Zug, den er ganz entzückend fand.
    Nach jener ersten Begegnung war Michael nach Hause geeilt und in seine Kammer der Schatten hinabgestiegen, einen magisch geschützten und befestigten, sechseckigen Raum, den er ins Herz seines zweistöckigen Art-déco-Hauses eingebaut hatte. Er hatte sich in sein rotes und grünes Magiergewand gehüllt und seinen Ahnherrn und Gönner mit Blut und Rauch herbeigerufen. Zuerst war der Schwefelgeruch gekommen, von dem ihm immer die Augen tränten, und dann der faulige Gestank des Grabes. Dann hatte sich die Kälte von Charons Fähre, die den Schleier teilte, über die Kammer gesenkt. Michaels Atem hatte sich mit dem Nebel vermischt, der aus dem Nichts aufstieg und sich in dem eiskalten Raum verbreitete. Der leise Ruderschlag wurde zu seinem eigenen Puls.
    Aus der Dunkelheit hervor nahm das Phantom Gestalt an - zuerst waren nur der gespenstische Schädel und das Skelett zu sehen, dann verwesende Haut, die lose an Knochen und ledrigen Muskeln hing, als der Wiedergänger von dem unsichtbaren Boot trat. Seinem verblassten Porträt zufolge war der Herzog im Leben sogar noch attraktiver gewesen als Michael. Er behauptete, wenn ihr Haus endlich wieder herrschte, werde er »wie ein ganzer Mann« erscheinen, wie er es in mittelalterlichem Französisch ausdrückte. Pflichtbewusst hatte Michael diese Sprache gelernt, um mit ihm sprechen zu können. Keiner von Michaels Söhnen beherrschte sie... weil die beiden nichts von Laurent wussten.
    Laurent, Duc de Deveraux, bekundete ebenso großes Interesse an Marie-Claire Cathers-Anderson wie sein Abkömmling, und gemeinsam befragten sie diverse Dämonen und Orakel, um mehr über sie herauszufinden. Michael hatte Jer gebeten, im Internet nach Informationen über Genealogie, Heraldik und die französischen Adelshäuser zu suchen, denn er war sicher, dass die Familie Cathers einmal adlig gewesen war. Es lag in ihrer Haltung, in ihrer Sprechweise - ja sogar in ihrem Duft, fand er.
    Jetzt ging er zu ihr hinüber und blickte auf sie hinab. Er beugte sich über sie und strich mit einem Fingernagel seitlich an ihrem Hals empor, an der großen Ader entlang, in der er dicht unter der Haut ihren langsamen Puls spürte. Er lächelte.
    Über ein Jahr lang hatte Michael Nachforschungen über diese geheimnisvolle Frau angestellt, deren äußere Erscheinung ebenso markant war wie seine - rabenschwarzes Haar, schwarzbraune Augen, das Gesicht ein makelloses Oval, die Haut so glatt und hell wie Perlmutt. Sie war groß und anmutig, wie die Deveraux-Männer, die in Lower Queen Anne wohnten. Eine Zeitlang fragte er sich sogar, ob sie selbst eine Deveraux sein könnte - der Name konnte ja irgendwann in der Vergangenheit durch eine Heirat verloren gegangen sein.
    Während dieses Jahres - dreizehn Monde des Hexenkalenders - hatte Michael Marie-Claire ausspioniert, sie mit ihren Töchtern und ihrem Mann beobachtet. Er sandte Bussarde aus, die um ihr spitzes Giebeldach kreisten, und verfolgte alles aus der Ferne durch ihre Augen, mit Hilfe eines Kristalls. Bei seinen Besuchen in ihrem Haus hatte er in verschiedenen Räumen Gläser mit verfluchtem Wasser versteckt, durch die er die Gespräche der Familie belauschen konnte. Er hatte das Gefühl, sie sehr gut zu kennen... und die Bekanntschaft mit Marie-Claire sollte sogar noch intimer werden. Wenn Michael Deveraux eine Frau
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