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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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Knie beugte, rief der Bischof ihr nach: »Hör Sie! Wenn Sie deshalb gekommen ist – Sie hat nichts zu fürchten, auch nicht für die Ihren –, bei meiner Ehre!«
    Da schnellte sie kerzengerade auf aus der demütigen Haltung. Ihre Antwort kam rasch und scharf, ein Gertenschlag: »Ergebenen Dank, Fürstliche Gnaden! Aber wir haben nichts zu fürchten.« Und war hinaus.
     
     
    Der Bischof starrte so abwesend auf die Tür, die hinter der Frau ins Schloß fiel, daß er den bescheidenen Abschiedsgruß des Paters nicht bemerkte. Doktor Brandt mußte sich ein paarmal räuspern und dann noch seinen Herrn mit direkter Frage in die Gegenwart zurückrufen: »Beliebt es Fürstlichen Gnaden, wenn ich jetzt fortfahre?«
    Bischof Philipp Adolf schrak auf, als hätte er geschlafen und schwer geträumt. »Wie? Ja, Doktor, fahrt fort! Nein, besser noch, fangt von vorne an!«
    Der Kanzler blätterte umständlich zurück und begann noch einmal mit dem Vorlesen des Erlasses, auf den er nicht wenig stolz war:
    »Nach Gottes unerforschlichem Ratschluß hat sich bei Unserer ohnehin beschwerlichen und gefahrvollen Regierung das Laster aller Laster, das ist die Hexerei und Teufelskunst, aus sonderlicher göttlicher Fügung ereignet. Wann Wir der göttlichen Handbietung zur gänzlichen Ausreutung des Übels nicht nachsetzen würden, hätten Wir nit allein vor Unserm Gewissen solches zu verantworten, sondern müßten auch besorgen, daß Gott der Allmächtige über das ganze Land Strafen um soviel desto mehr verhängen möchte, wie viel weniger Wir uns die Abschaffung eines so schrecklichen Übels, dessen ernstliche Leibes- und Lebensbestrafung in Heiliger, göttlicher Schrift geboten, angelegen sein ließen. Weil ja die bisher über uns ergangenen Strafen so vielfältiger Kriege, Hunger, Pestilenz und andere Unfälle so gar nichts gefruchtet, begehren Wir mit vorgenommener Inquisition dieses Lasters nichts anderes denn zuvörderst die Rettung der Ehre Gottes, sodann der armen, jämmerlich verführten Unmenschen Seelenheil und Seligkeit, auch dieselben wiederum in göttliche Huld und Gnade zu bringen.«
    »Gut gesagt!« Seine Fürstlichen Gnaden nickten beifällig. Nichts anderes denn die Ehre Gottes und der armen Verführten Seelenheil! Wer könnte ein solches Vorhaben tadeln! Nun aber der heikle Punkt, an den der Doktor Brandt zuerst nicht recht dran gewollt! Der Bischof lehnte sich gespannt zwischen den Armlehnen seines Sessels vor und horchte auf die dürre, eintönige Stimme, die fortfuhr:
    »Daß Seine fürstlichen Gnaden dahin gemüßiget worden, neben der ordentlichen Verwirkung Leibes und Lebens auch alle deroselben Hab und Güter einzuziehen und Dero Fisco zuzueignen befugt wären, sintemalen uff diesen Prozeß, seiner Schwere und Weitläufigkeit halber, weit ein mehr es dann uff die Bestrafung anderer Übeltäter ufflaufen tut, welche Unkosten Seine Fürstlichen Gnaden weder Deroselben Untertanen, noch weniger aber Dero Kammern und Ämtern uffzulegen wissen. Als haben sich Dieselbig nach vielfältiger Beratschlagung endlich dahin resolvieret, des angefallenen Juris confiscandi sich so weit zu bedienen, daß davon solche Unkosten abgetragen werden, und, dafern noch etwas überschießen sollte, dasselbig alles den armen Abgeleibten zu dero Seelenheil und Trost, an Dero Fisco aber das Wenigst zu wenden.«
    Gut, gut! Es wird ohnehin genug üble Nachrede geben, so als wollten Wir Uns am Gut der armen Sünder bereichern. Aber was soll man machen? Prozesse kosten Geld und diese mehr als sonst, das Land ist arm, die Zeiten hart. Ist’s nicht nur gerecht, daß die Unholden selbst die Kosten ihrer Ausrottung tragen sollen?
    Es folgten haargenaue Anweisungen über die Durchführung: daß in Fällen, wo Malefikanten Kinder hinterließen – »verhoff entlich unschuldig« –, nur der fünfte Teil des Vermögens, wo Verwandte bis zum dritten Grad erbten, nur die Hälfte einzuziehen sei. In allen Ämtern und Zenten sollten sofort Kuratoren bestellt werden, die das traurige Geschäft gewissenhaft zu besorgen hatten, von der Inventuraufnahme im Augenblick der Verhaftung bis zum Verkauf des liegenden und fahrenden Gutes »zum Teuersten.« Auch die Art der Abrechnung war genau vorgeschrieben, monatlich und getrennt nach Bareinnahmen und Außenständen. Da war nichts vergessen, da schlüpfte ebenso wenig ein Heller durch die Maschen, wie ein Verdächtiger dem Malefizgericht entkam.
    Der Bischof trug keine Bedenken, das Schriftstück zu
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