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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond
Autoren: Sophie van der Stap
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Tür aufgeht und mein grässlicher Arzt mit seinen ebenso grässlichen Kollegen erscheint. Er klopft zwar an, aber aus reiner Gewohnheit, nicht etwa um seinen Besuch anzukündigen. Ein schrecklicher Mensch. Wenn er den Mund auftut, habe ich ihn in Gedanken immer schon einen Kopf kürzer gemacht. Was kommen da für scheußliche, beängstigende Laute raus.

[home]
    Mittwoch, 2. Februar 2005
    »Also, wie die da drinliegt, die Kleine, das gibt’s doch gar nicht! Wenn Sie da nicht sofort was machen, hol ich sie hier raus.« Vom Flur her höre ich Jans Stimme und das Gelächter von Jochem und Doktor L. Bei Letzterem klingt es etwas nervös und unbehaglich.
    Mein Kopf ist auf Fußballgröße angeschwollen, das Gesicht tomatenrot, und von der Form meiner Arme ist auch nicht mehr viel übrig. Dass ich heute über drei Kilo schwerer bin als gestern, entgeht Jan und Jochem nicht.
    »He, Kleine, schöne Pausbacken hast du. Nette Farbe auch.« Jan bringt ein paar Hochglanzmagazine und eine Flasche frischen Heidelbeersaft zum Vorschein. »Für die Antidingsbums.«
    Auch Jochem hat zwei Flaschen mit dunkelrotem Saft mitgebracht. »Holunderbeeren« steht drauf. »Ich hab gefragt, wo die meisten Vitamine drin sind«, flüstert er. »Das ist gut für dich, hat die Frau im Laden gesagt.« Er beugt sich vor und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
    Außer meiner Familie und Annabel sind Jan, Jochem, Rob und Martijn die Einzigen, die ich in diesen Tagen um mich haben will. Es ist das zweite Mal, dass sie mich besuchen. Letztes Mal lag ich noch bei Doktor K., und sie haben in der Radiologie im ersten Stock auf mich gewartet. Da war ich hingeschickt worden, um neue Aufnahmen von meiner Lunge machen zu lassen. Jochem hatte mir ein Blumensträußchen mitgebracht, Jan einen großen, bunten, herzförmigen Lolly. Und natürlich Zeitschriften, daran fehlt es ihm nie. Wir tranken in der Eingangshalle einen Kaffee, dann brachten sie mich auf mein Zimmer in Doktor K.s Etage, wo man mich gepiekst hat, um zu checken, ob ich vielleicht Tuberkulose habe. Auch da hat Jan einen Riesenwirbel gemacht – man solle die Finger von mir lassen und mir nicht wehtun.
    Heute werden wir wieder von einem Piekser gestört. Schwester Bas muss eine neue Braunüle legen, die von gestern hat sich verschoben. Als Bas seine Nadel auspackt, merke ich, dass Jan und Jochem die ganze Situation allmählich unangenehm wird. Sophie, die plötzlich als ein krankes Etwas am Tropf hängt. Sie sagen nichts, machen nicht mal einen Witz. Vorsichtig treten sie zur Seite und setzen ihr Gespräch mit den Weißkitteln auf dem Flur fort.

[home]
    Freitag, 4. Februar 2005
    Es klopft an meiner Tür. Der grobe Klotz aus der Lungenheilkunde, der mir die schlechte Nachricht überbracht hat, kommt herein. Der arme Kerl, der meinen geliebten Doktor K. genau an diesem einen Tag vertreten hat. Ich erschrecke, als sein Kopf plötzlich hinter dem Vorhang auftaucht, der mein Krankenbett gegen die Klinik abschirmt und gegen alles, was darin herumläuft, kotzt und kreischt. Wie es mir geht, will er wissen. Gut, antworte ich mit meinem Wasserkopf von den Medikamenten. Doch, doch. Ich weiß nicht, warum, aber ich sage jedem, der es hören will, dass es mir gutgeht. Dass ich wieder auf die Beine komme.
    Der grobe Klotz geht wieder, und der lange Doktor L. erscheint mit einem Tross von Kollegen.
    Man merkt, wie wichtig sie sich nehmen – und ich auch –, denn sie nehmen ohne Vorankündigung mit ihrer ganzen Studiengruppe zu einer für eine Chemopatientin ziemlich unchristlichen Zeit um mein Bett herum Aufstellung. »Guten Morgen, wir wollen mal nach dir schauen«, sagt Doktor L.
    Ja, das sehe ich. Vorsichtig gleiten meine Augen über die Versammlung fremder Ärzte aus der Abteilung für Onkologie/Hämatologie, meiner Station, meiner Endstation. Mein Blick sucht den einen. Den einen aus der Abteilung Lungenheilkunde. Den einen, der nach Beendigung seiner ärztlichen Verrichtungen mein verschwitztes T-Shirt so sanft wieder an meinen nackten Rücken geklebt hat. Den einen, der jeden Tag kurz bei mir hereingeschaut und sich, wenn irgend möglich, nicht nur nach meinem Wohl und Wehe erkundigt hat, sondern auch nach dem der Figuren aus den Büchern, die ich mitgenommen hatte, um die Langeweile wegzulesen. Aber Doktor K. ist nicht dabei.
    Etwas an Doktor L. ist heute anders – er lächelt. »Ich habe zwei gute Nachrichten für dich. Die Erste: Wir haben jetzt die endgültigen Laborwerte; deine Knochen
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