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Herzschlag der Nacht

Herzschlag der Nacht

Titel: Herzschlag der Nacht
Autoren: Lisa Kleypas
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ausschließlich in der rotgoldenen Kavallerieuniform gesehen. Das Gesicht war dasselbe, sah man von der Blässe ab, die ausgedehnte Aufenthalte in geschlossenen Räumen nach sich zogen und die so gänzlich falsch an einem Mann wirkte, der ein solch passionierter Reiter war.
    Christopher verspürte eine instinktive Abneigung, sich ihm zu nähern. »Colonel Fenwick«, sagte er und musste an sich halten, nicht zu salutieren. Stattdessen schüttelte er ihm die Hand. Fenwicks fühlte sich unheimlich feucht und kalt an.
    »Phelan.« Fenwick bewegte sich linkisch zur Seite. »Wollen Sie hereinkommen?«
    Christopher zögerte. »Unten gibt es zwei Salons und einen Schankraum.«
    Die Andeutung eines Lächelns zeigte sich auf Fenwicks Zügen. »Betrüblicherweise plagen mich alte Wunden. Treppen bereiten mir Mühe. Ich würde Sie daher bitten, mir die Gefälligkeit zu erweisen, hier oben zu bleiben.« Er sah reumütig, ja, fast beschämt aus.
    Ein klein wenig entspannter, betrat Christopher das Zimmer.
    Wie alle Unterkünfte in dem Gasthof war auch diese geräumig, sauber und spärlich möbliert. Als Fenwick sich setzte, fiel Christopher auf, dass er sich ungelenk bewegte und eines seiner Beine merklich steif war.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Fenwick. »Ich danke Ihnen, dass Sie hergekommen sind. Ich wäre noch einmal zu Ihnen gekommen, aber es freut mich, dass mir die Mühe erspart bleibt.« Er wies auf sein Bein. »Die Schmerzen werden dieser Tage schlimmer. Man sagte mir, es wäre ein Wunder, dass ich das Bein behalten habe, aber ich frage mich, ob ich mit einer Amputation nicht besser dran wäre.«
    Christopher wartete darauf, dass Fenwick erklärte, was er in Hampshire wollte. Als offensichtlich wurde, dass Fenwick keinen Drang verspürte, das Thema anzusprechen, sagte er unvermittelt: »Sie sind hier, weil Sie etwas wollen.«
    »Sie sind nicht annähernd so geduldig wie früher«, stellte der Oberstleutnant amüsiert fest. »Was ist aus dem Scharfschützen geworden, der berühmt für seine Fähigkeit war, den rechten Moment abzuwarten?«
    »Der Krieg ist vorbei. Und ich habe jetzt Besseres zu tun.«
    »Fraglos auch mit Ihrer neuen Braut. Glückwünsche scheinen mir angebracht. Sagen Sie mir, welche Frau den höchstdekorierten Soldaten Englands erobern konnte?«
    »Eine, die nichts auf Medaillen oder Lorbeeren gibt.«
    Fenwick sah ihn ungläubig an. »Wie kann das sein? Natürlich gibt sie etwas auf solche Dinge. Sie ist nun die Ehefrau eines Unsterblichen.«
    »Wie bitte?«, fragte Christopher verständnislos.
    »Man wird sich Ihrer noch in Jahrzehnten erinnern«, erklärte Fenwick. »Womöglich noch Jahrhunderten. Erzählen Sie mir nicht, das würde Ihnen nichts bedeuten.«
    Christopher schüttelte den Kopf, ohne seinen Blick vom Gesicht des anderen abzuwenden.
    »In meiner Familie haben militärische Ehren eine sehr alte Tradition«, erzählte Fenwick. »Ich wusste, dass ich das Höchste erreichen und am längsten in Erinnerung bleiben würde. Niemand denkt an Vorfahren, die kleine Leben führen, die vor allem als Ehemänner oder Väter, als wohlwollende Landherren oder treue Freunde bekannt waren. Keiner schert sich um jene namenlosen Niemande. Aber Krieger werden verehrt. Sie geraten nicht in Vergessenheit.« Verbitterung trieb Falten auf sein Gesicht, ließ die Haut uneben wie eine überreife Orange aussehen. »Eine Medaille wie das Victoria-Kreuz, die war es, was ich wollte.«
    »Eine halbe Unze platt gewalztes Gewehreisen?«, fragte Christopher misstrauisch.
    »Reden Sie nicht so abfällig mit mir, Sie arroganter Esel.« Trotz seiner giftigen Worte klang Fenwick erstaunlich ruhig und gefasst. »Von Anfang an wusste ich, dass Sie nichts als ein hohlköpfiger Aufschneider sind. Eine hübsche Füllung für eine Uniform. Aber Sie erwiesen sich als nützliche Gabe, denn Sie konnten schießen. Und dann gingen Sie zu den Rifles, wo Sie auf wundersame Weise zum Soldaten heranwuchsen. Als ich die ersten Depeschen las, dachte ich, es müsste sich um einen anderen Phelan handeln. Denn ich glaubte nicht, dass Sie das Zeug hätten, zu dem Phelan zu werden, von dem in diesen Berichten die Rede war.«
    »In Inkerman bewies ich Ihnen das Gegenteil«, erwiderte Christopher ruhig.
    Die Spitze trieb ein Lächeln auf Fenwicks Gesicht: das Lächeln eines Mannes, der das Leben aus der Ferne betrachtete und dessen unvorstellbare Ironie erkannte. »Ja, Sie retteten mich, und nun sollen Sie dafür die höchsten Ehren
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