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Herzschlag der Nacht

Herzschlag der Nacht

Titel: Herzschlag der Nacht
Autoren: Lisa Kleypas
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wirklich von Sinnen? Und falls ja, was hatte er durchlitten? Christopher versuchte, seine Erinnerungen an den schneidigen, allzeit munteren Bennett mit dem in Einklang zu bringen, was Fenwick ihm eben erzählt hatte. Es gelang ihm nicht.
    Teufel noch eins, falls Bennett nach ihm suchte, war es ein Leichtes, Phelan House zu finden.
    Eine neue Angst überkam ihn, beklemmender als alles, was er je empfunden hatte. Er musste Beatrix beschützen. Nichts anderes zählte. Eilig lief er die Treppe hinunter, und das Donnern seiner Schritte war wie ein Echo ihres Namens.
    Mr. Palfreyman stand am Eingang des Gasthofes. »Noch einen Krug Bier, bevor Sie gehen?«, schlug er vor. »Für Englands größten Helden ist es immer umsonst.«
    »Nein, ich muss heim.«
    Palfreyman sah ihn besorgt an und wollte ihn aufhalten. »Captain Phelan, im Schankraum ist ein Tisch. Kommen Sie, setzen Sie sich für einen Moment. Nur zu, mein Junge. Sie sind ein bisschen grün um die Nase. Ich bringe Ihnen einen guten Brandy oder Rum. Einen für die Steigbügel, nicht?«
    Christopher schüttelte den Kopf. »Keine Zeit.« Er musste sich beeilen. Als er nach draußen lief, war es dunkler und kälter geworden. Der spätnachmittägliche Himmel war ein Albtraum von Farbe, der die Welt zu verschlucken drohte.
    Auf dem Ritt nach Phelan House gellten die gespenstischen Schreie von Männern auf dem Schlachtfeld in seinen Ohren, verzweifelt, flehend, gepeinigt. Bennett lebte. Wie war das möglich? Christopher hatte die Wunde in seiner Brust gesehen, und er hatte schon hinreichend ähnliche Verletzungen gesehen, um zu wissen, dass sie den unausweichlichen Tod bedeuteten. Aber sollte er durch ein Wunder …
    Als er sich dem Haus näherte, sah er Albert aus dem Wald gesprungen kommen, gefolgt von Beatrix’ zierlicher Gestalt. Sie kehrte von Ramsay House zurück. Eine Windböe zerrte an ihrem weinroten Umhang, der aufflog, und wehte ihr den Hut vom Kopf. Sie lachte, als der Hund hinter der Kopfbedeckung herjagte. Als sie Christopher entdeckte, winkte sie ihm zu.
    Ihm wurde fast schwindelig vor Erleichterung. Seine Panik ließ nach, und die Finsternis in ihm zog sich zurück. Gott sei Dank! Beatrix war hier, wohlbehalten. Sie gehörte zu ihm, in all ihrer Schönheit und Lebensfreude, und er würde den Rest seines Lebens damit verbringen, für sie zu sorgen. Was immer sie von ihm wünschte, worum sie auch bat, er würde es ihr geben. Nun schien es beinahe leicht. Ja, die Kraft seiner Liebe würde alles leicht machen.
    Christopher ließ sein Pferd langsam gehen. »Beatrix!«, rief er in den Wind.
    Sie lachte immer noch, stand mit aufgewehtem Haar da und wartete, dass er zu ihr kam.
    Christopher erschrak, als ihm ein glühender Schmerz durch den Kopf fuhr. Einen Sekundenbruchteil später hörte er das Krachen eines Gewehrschusses. Das Geräusch war unauslöschbar in sein Gedächtnis eingebrannt. Schüsse, das Pfeifen von Granaten, Explosionen, Schreie von Männern, panisches Wiehern von Pferden …
    Er fiel aus dem Sattel, stürzte absurd langsam, während die Welt um ihn zu einem Gewirr von Bildern und Klängen wurde. Himmel und Erde hatten die Plätze getauscht. Fiel er nach oben oder nach unten? Er schlug hart auf, sodass ihm die Luft wegblieb, und er fühlte warmes Blut über sein Gesicht und in sein Ohr rinnen.
    Noch ein Albtraum. Er musste aufwachen, sich zusammennehmen. Aber merkwürdigerweise war Beatrix in dem Albtraum bei ihm, kam schreiend auf ihn zugelaufen. Albert war auch bei ihm, kläffend vor Wut.
    Das Atmen war schwierig, und sein Herz schlug seltsam. Er fühlte sich wie ein Fisch, der aus dem Wasser gezogen worden war. Beatrix sank neben ihm auf die Knie, die Röcke zu einer blauen Wolke gebauscht, und hob seinen Kopf auf ihren Schoß.
    »Christopher, lass mich … o Gott …«
    Albert heulte und knurrte, als sich jemand näherte. Für einen Moment trat Stille ein, dann mischte sich das wütende Bellen mit hohen Winsellauten.
    Christopher setzte sich mühsam auf und drückte den Ärmel seines Gehrocks an die Schläfe, um den Blutfluss aufzuhalten. Blinzelnd sah er zu der knochigen, ungepflegten Männergestalt, die wenige Meter entfernt von ihnen stand. Der Mann hielt einen Revolver in der Hand.
    Christopher erkannte die Waffe auf Anhieb – ein Perkussionsrevolver, fünf Schuss, vom britischen Militär.
    Noch ehe er das Gesicht des Mannes ansah, wusste Christopher, wer er war.
    »Bennett.«

Kapitel 27
    B eatrix’ erster Impuls war, sich zwischen
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