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Herzraub

Herzraub

Titel: Herzraub
Autoren: Monika Buttler
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Das Herz ist rausgeschnitten worden.“
    Aus Danzik kam nur ein „Oh“ heraus, er blickte noch einmal auf die Wunde, konnte aber nichts Genaues eruieren. Er verabschiedete sich und ging mit seinem Kollegen zum Auto zurück.
    Torsten Tügel fuhr sich durch seine blonden Locken, die wie ein Nest auf seinem Kopf thronten. „Das ist ja wirklich ein Hammer.“
    „Ist dir Celia Osswald ein Begriff?“, fragte Danzik.
    „Ja, irgendwie schon. Hab aber nicht viel mit ihr gesehen. Ist nicht grad der Jahrgang, der mich interessiert.“
    „Sie ist – sie war um die fünfzig.“ Danzik befühlte seinen nicht mehr ganz straffen Hals.
    „Tja, traurig.“ Der junge Kollege zupfte an seinem silbernen Ohrring und schien bereits an etwas anderes zu denken.
    Am Jungfernstieg fuhr Danzik scharf an die Seite. „Dann zisch mal ab. Feierabend.“ Er grinste freundlich und sah mit einer Spur Wehmut, wie der Jüngere, ohne sich umzublicken, davonfederte.
     

2
    In seiner stuckverzierten Altbauwohnung in der Hallerstraße machte sich Werner Danzik einen ›Il Grillo‹ auf. Mal was anderes. Spritzig, frisch, ein Gaumenkitzler. In der letzten Zeit hatte er sich etwas stabilisiert. Seit Ines, seine inzwischen Geschiedene, vor zwei Jahren ausgezogen und den Avancen eines deutlich jüngeren Bauunternehmers erlegen war, hatte er kaum noch was Vernünftiges zu sich genommen. Hatte im Wechsel mal zu Hochprozentigem, dann wieder zu Schlaftabletten gegriffen, noch mehr als sonst gearbeitet und mit mitleidsvoller Selbstbeobachtung verfolgt, wie seine Augen immer umschatteter und glanzloser wurden.
    Das war nicht mehr der charmante Blick, der bei den Frauen so gut ankam. Nur noch Wrackhaftigkeit war es gewesen, er hatte sich keine Illusionen gemacht. Und endlich, nach zwei lähmenden Jahren, hatte er eine Art Bilanz gezogen: Ja, es stimmte, er war regelmäßig zum couch potato mutiert, wenn er nach unzählbaren Überstunden zu Hause landete, hatte jede von Ines’ Initiativen abgewehrt. Bis sie dann allein losgezogen war. ›Wollenberg‹, ›Seeterrassen‹ und so weiter. Dabei war Ines genauso alt wie er. 52. Oder vielleicht gerade deshalb. Midlife-Crisis und Wechseljahre in einem.
    Danzik lächelte verächtlich. Der Neue hatte eine Latifundie auf Mallorca. Da hatte sie also auch den richtigen Griff getan. Konnte jetzt alle zwei Wochen in den Jet steigen und würde ihn nie wieder mit südlichen Inseln triezen. Jede andere Frau wäre nur zu gern zu Hause geblieben, hätte zärtlich blickend ›danke‹ gesagt, wenn er sie, wie er es getan hatte, mit selbst kreierten italienischen Feinschmeckereien verwöhnt hätte.
    Langsam ließ er den nächsten Schluck Wein durch die Kehle rinnen. ›Jede andere Frau‹ war allerdings noch nicht in Sicht. Trotzdem fühlte er sich besser. Er würde wieder anfangen zu kochen, nur für sich. Er würde zum Single-Genießer werden. Der Mensch war schließlich auch allein was wert. Zehn Jahre Ehe? Und wenn schon. Abhaken und weitergehen.
    Danzik schaltete den Fernseher ein und hob die Füße auf den ledernen Ruhesessel. Er freute sich auf diese passiven Stunden, wo ihm niemand mehr das gewünschte Programm wegzappen würde.
    Eine Spielszene kam ins Bild – und er erstarrte. Celia Osswald in ihrer Paraderolle als ›Klatschreporterin‹. Die Serie wurde offenbar wiederholt. Er beruhigte sich mit einem weiteren Schluck und sah genauer hin. Was war das für eine Frau? Er würde sie hier auf dem Bildschirm intensiv studieren, das konnte ihm bei seinen Ermittlungen nur helfen.
    Sie spielte verdammt gut, darüber waren sich Kritiker und Publikum einig. Sie war keine Ich-Schauspielerin, die nur ihren eigenen Typ darstellte und dann immer nach Typ besetzt wurde. Nein, sie gehörte zu den Sie-Schauspielern, die in ihre Rollen so reinkrochen, dass nichts mehr von ihnen übrig blieb. Allein, wie sie diese Journalistin gab: hektisch, nur laufend, in der riesigen Business-Tasche wühlend, mit wippenden Ohrklunkern, die der Sportlichkeit einen femininen Touch gaben. Mit dunklen Haaren aus dem Fundus, sodass man kaum sehen, sondern schon wissen musste, dass sich dahinter die berühmte Celia Oss-
wald verbarg.
    In den Talkshows, mit der privaten Erscheinung, kam ihre ganze Arroganz rüber, mit der sie die Nation spaltete. Die Natur hatte bei ihr eine Augenbraue höher als die andere angesetzt, schon das wirkte arrogant. Danzik hatte sie, auch innerlich, bis ins Detail vor Augen und spürte erneut die faszinierende Ambivalenz,
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