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Herzkurven

Herzkurven

Titel: Herzkurven
Autoren: Michelle Holman
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neuster Freund könnte vielleicht
der eine
sein. Das war alles, was es brauchte, um Breda in einen Hochzeitstaumel zu treiben und Ross zu einem Flug über den Pazifischen Ozean zu verurteilen.
    Nichts würde verhindern, dass Ross mit Ms. Lawton sprach, jetzt, wo er sie gefunden hatte. Er konnte sein Glück kaum fassen oder auch nur entscheiden, ob es Glück oder Unglück war. Er hatte versucht, sie zu kontaktieren, seitdem Patrick gestorben war und die Familie entdeckt hatte, dass er zwei Kinder hatte – und das ausgerechnet in Neuseeland. Dass Patrick nie daran gedacht hatte, seinen Eltern diese kleine Information zukommen zu lassen, überraschte niemanden: Patrick hatte gern das schwarze Schaf gespielt. Wann immer er nach Hause gekommen war, hatte er sich mit dem Rest der Familie zerstritten und war beleidigt wieder abgezogen. Nichts war jemals sein Fehler – er wurde immer missverstanden. Er war außerdem faul, egoistisch und eifersüchtig auf den Erfolg seines Bruders als Schriftsteller gewesen. Jedes Mal, wenn Ross die Verwirrung und den Schmerz in den Gesichtern seiner Eltern sah, wollte er Patrick den Hals umdrehen. Sein Bruder hatte über die Jahre einige lausige Fehler gemacht, aber Breda und Vito nichts von ihren zwei Enkelkindern zu erzählen stellte den schlimmsten dar. Sie wollten verzweifelt Kontakt zu Patricks Kindern, denn sie bildeten ihre letzte Verbindung zu ihrem toten Sohn.
    Es war reiner Zufall gewesen, dass Ross sich auf der Krankenhaus-Baustelle aufgehalten hatte. Jeff Roseman war ein alter Freund; sie waren in derselben Straße aufgewachsen und zusammen zur Schule gegangen. Als Jeff seine in Neuseeland geborene Freundin Christine heiratete und in ihr Heimatland zog, hielt Ross den Kontakt. Jeff, der zusammen mit seinem Schwiegervater Besitzer von Criterion Construction war, hatte Ross am Auckland Airport abgeholt, als er am Morgen angekommen war. Und als Ross erklärt hatte, dass er bis zum Abend wach bleiben wollte, statt sich ins Bett zu legen, hatte Jeff vorgeschlagen, dass er ja mit ihm das Criterion-Krankenhausprojekt besuchen könnte.
    Sie waren gerade rechtzeitig angekommen, um den Lastwagen den Hügel hinunterschießen zu sehen, und waren die Ersten vor Ort, als er gegen die Betonblöcke krachte. Es war Ross, der das Fenster eingeschlagen hatte, um an die Irre heranzukommen, die mit dem Wagen eine Schlittenfahrt den Berg hinunter gestartet hatte. Dabei hatte er sich das Handgelenk aufgeschnitten. Er war erleichtert, als sich die über dem Lenkrad zusammengesunkene Frau bewegte, und sprachlos, als er sie sich genauer ansah. Sie hatte blaue Haare – oder zumindest kurze hellblonde Haare mit blauen Spitzen – und trug als Ohrringe silberne Sicherheitsnadeln. Als sie nicht mehr nach oben verdreht waren, erinnerten ihre Augen Ross an die Sahnebonbons, die seine Granny O’Rourke immer zu Weihnachten aus Irland schickte. Aber die größte Überraschung war der Name auf dem Schild vorn an ihrer Uniform gewesen:
Daneka Lawton, Fachkrankenschwester für Intensivpflege, Notaufnahme.
    Ross war fassungslos. Als er den Sanitätern dabei geholfen hatte, Danny Lawton aus dem Lastwagen zu heben, war sie leicht wie eine Feder gewesen, mit den graziösen Gliedmaßen einer Ballerina. Und dem zerschundenen Gesicht eines Rummelringers.
    *
    Er hielt einen Plastikbecher mit grauenhaftem Kaffee vor seiner Brust und versuchte, auf seinem Plastikstuhl eine bequeme Stellung zu finden. Der Krankenhausmanager hatte ihn davon abgehalten, Danny in den Untersuchungsraum zu folgen. Der Lastwagen war wie ein Lieferzug gegen die Betonblöcke geknallt, und sie war nicht angeschnallt gewesen. Es war ein Wunder, dass sie nicht durch die Windschutzscheibe geflogen war, allerdings hatte sie einen üblen Schnitt und eine Riesenbeule an der Stirn davongetragen.
    Ross musterte das Wartezimmer und dachte darüber nach, dass die Wartezimmer von Krankenhäusern überall in der Welt gleich aussahen: müde, schlecht eingerichtet und gefüllt mit einer Mischung aus frustrierter Verzweiflung und endloser Langeweile. Trotz der Umstände saugte der Schriftsteller in ihm alles auf und ordnete es in seinen mentalen Karteikasten ein, um es das nächste Mal herausziehen zu können, wenn er eine Szene im Krankenhaus ansiedelte oder sich daran erinnern musste, wie Verzweiflung oder Langeweile aussah, sich anfühlte und – er zog über seinem Kaffeebecher eine Grimasse – schmeckte. Obwohl Gott allein wusste, wann er wieder etwas
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