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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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vielversprechend sah das alles immer noch nicht aus. Der Graben war tief und breit und fiel zu einem Bach oder einem kleinen Rinnsal hin ab. Um diese Jahreszeit war er üppig mit Gras, Wiesenkerbel und Stechwinde überwuchert. Das sah zwar sehr hübsch aus, erschien aber denkbar ungeeignet für ein zwei Tonnen schweres Auto.
    »Hm«, sagte er stirnrunzelnd, als ich neben ihn in das nasse Gras trat. Mücken stiegen auf, und die Luft war von vielerlei Düften erfüllt. In den letzten Tagen hatte es viel geregnet, der Boden unter meinen Füßen fühlte sich nass und schlammig an. Ich bückte mich, um meine Sneakers zuzuschnüren, damit keine Schnecke oder Spinne hineinkroch. Seine Lippen zuckten amüsiert.
    »Wollen Sie nicht lieber einsteigen?«, schlug er vor. »Sie müssen ja halb erfroren sein.«
    Ich schnaubte und zog meine Strickjacke enger um mich, stieg aber bereitwillig ins Auto.
    Er ging auf die andere Seite, wobei er seine Ärmel hochkrempelte. Rehbraune Wildlederjacke. Helle Jeans. Groß, bestimmt eins fünfundachtzig. Steingraues Hemd. Er hockte sich hin. Dunkle Haare. Wellig, ziemlich kurz geschnitten. Eckiges Kinn. Soll ich mir das aufschreiben? Er stand wieder auf. Geistesabwesend streichelte er Merlins Kopf. Ein breites Uhrenarmband aus Metall glänzte an seinem Handgelenk. Dann trat er wieder ans Fenster. Ende dreißig. Anfang vierzig. Nicht betrunken. Nicht verwirrt. Ein Irrer? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Abgesehen von seiner Fahrweise vielleicht.
    Ich ließ das Fenster herunter.
    »Ja«, sagte er. »Es ist das Rad auf der anderen Seite, das die Probleme macht. Der Boden da ist ziemlich aufgeweicht.« Er roch nicht nach Alkohol. Höchstens nach Aftershave. »Der Reifen steckt ganz schön tief drin. Wollen Sie mal zur Seite rutschen, damit ich versuchen kann, ob ich den Wagen herauskriege?«
    Sollte ich ihn ans Steuer lassen? Bestand nicht die Gefahr, dass er mit mir davonbrauste und mich vergewaltigte oder sogar umbrachte? Und dann auch noch Merlin abschlachtete? Nein, ganz bestimmt nicht. Sein Hemd gehörte zu einer Marke der gehobenen Freizeitkleidung.
    »Nein, nein«, sagte ich. »Ich mache es schon.«
    »Okay, versuchen Sie es«, sagte er. Er trat zurück, als ich den Motor wieder anließ. Ich legte den Gang ein und löste die Handbremse. Der Wagen machte einen Satz, und der Reifen drehte durch. Schlammbrocken flogen durch die Gegend. Das Auto bewegte sich keinen Millimeter.
    Sekunden später stand er wieder an der Scheibe. Seine Miene war grimmig, und seine Lederjacke sah noch schlimmer aus, wie eine postmoderne Kunstinstallation. Er schien es allerdings nicht zu bemerken. »Das geht nicht«, sagte er. »Der Boden ist wirklich zu sumpfig, und wenn die Räder durchdrehen, wird es nur noch schlimmer. Wir brauchen einen festen Untergrund. Ich sehe mal zu, was ich finde.«
    Untergrund? Ja, klar, damit die Reifen greifen konnten. Er sprang über den Bach und verschwand im Dickicht. Nervös schaute ich auf die Uhr. Zwanzig nach eins. Es war über vierzig Minuten her, seit Kate mich angerufen hatte. Sie würde sich Sorgen machen. Und wenn sie sich zu viele Sorgen machte, riefe sie zu Hause an. Und Jonathan, falls er vom Klingeln des Telefons überhaupt wach wird, machte sich auch Sorgen. Der Mann und auch Merlin waren nicht mehr zu sehen. Wo waren sie hingegangen? Ausgewandert?
    Kurz darauf tauchte er mit Zweigen, Ästen und Gott weiß was sonst noch alles, beladen wieder auf. Er sah aus wie ein Fallensteller in der Wildnis. Merlin, der als Pointer eigentlich für die Fasanenjagd gezüchtet worden war, trottete stolz neben ihm her, einen Ast im Maul. Na, der amüsierte sich prächtig. Sein Schwanz – wir hatten ihn nie kupieren lassen – ging hin und her wie ein Scheibenwischer, als der Mann sich hinhockte, um die Zweige und das Laub unter den Reifen zu schieben. Ich blieb mit meinem Schlafanzug und meiner Strickjacke im Auto sitzen und überlegte, ob ich nicht vielleicht doch träumte.
    »Okay«, sagte er schließlich. »Das müsste gehen. Versuchen Sie es noch einmal? Ich gehe nach hinten und schiebe.«
    Er kam mir mittlerweile wie der gute Samariter vor, und insgeheim tat es mir schon leid, dass ich ihm solche Unannehmlichkeiten bereitete. Erneut startete ich den Motor, und die Reifen drehten durch, während er von hinten schob.
    »Boah«, rief er von hinten. Ich nahm den Fuß vom Gaspedal.
    »Das hat keinen Zweck«, sagte er, als er wieder an der Fahrerseite stand. »Das Zeug ist sofort
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