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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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haben wir uns verabredet. Er wollte mir die Sache beibringen. Aber ich bin nicht weit gekommen damit. Meistens habe ich nur zugesehen.« Sie senkt den Kopf und stochert im Feuer.
    Minutenlang ist es still. Das muss ich erst verdauen. Ich stehe praktisch vor den Trümmern meines Mutterbildes. Die Frau da kenne ich noch gar nicht. Und jetzt muss ich sofort etwas wissen. »Mama … War Martin ein blinder Draufgänger? Du weißt schon: einer, der viel riskiert, weil er den Kick braucht?«
    Ich kenne die Antwort schon, ehe meine Mutter bedächtig nickt.
    So einer war er also. Einer wie Ecke. Ein blöder Hund. Er hat die sichere Piste verlassen, obwohl seine Freundin schwanger war und er sich auf sein Kind gefreut hat.
    »Bis dahin hat er immer Glück gehabt«, höre ich meine Mutter wie durch einen Nebel sagen. »Mehr Glück als Verstand. Das war ein Teil seines Charmes. Ich war verrückt nach ihm. Und irgendwie habe ich mir dann später gewünscht, dass ihm sein Kind ähnlich sein soll. War total blöd von mir. Seit ein paar Stunden weiß ich das.« Ihr Flüstern erstirbt.
    Ich nicke stumm.
    Aber das kann sie nicht sehen. Plötzlich springt sie auf. »Martina, wann kriechen die endlich raus?« Sie zeigt zum Spalt.
    »Da kriecht niemand mehr heraus«, sage ich langsam. »Bonni ist verletzt und wo Ecke und Shelley sind, weiß ich nicht. Aber wieso bist du überhaupt hier? Und wie spät ist es? Woher hast du gewusst …« Jetzt kommen mir alle Fragen zugleich.
    Meine Mutter schaut auf die Uhr. »Es ist gleich sechs.«
    Da sehe ich, dass der Himmel über den Felsen heller ist als auf der anderen Seite der großen Lichtung. Und ich merke, wie ich friere. Sechs Uhr. Montagmorgen? Wenn es jetzt Montagmorgen ist, dann ist mein Zeitsinn wieder gerade gerückt. »Haben wir Montagmorgen?«, frage ich.
    »Was sonst? Die Feuerwehr von dem Kaff da unten hat stundenlang nach euch gesucht. Und jetzt wartet man auf die Höhlenrettung oder wie das heißt.«
    »Man hat nach uns gesucht? Ich bin keinem begegnet!« Ich schaue unwillkürlich zum Spalt zurück.
    »Die Feuerwehrmänner sind zum Haupteingang rein. Zuerst haben sie’s hier probiert. Aber sie passten nicht durch den Schlitz«, informiert mich meine Mutter. »Ich hab’s dem Typ, diesem Alexander Sowieso, erst mal auch nicht glauben wollen. Aber er hat geschworen, dass ihr da reingekrochen seid. Das ist seine Ausrüstung, oder?« Sie stupst mich in den Bauch.
    Ich nicke.
    »Verrücktes Huhn.« Sie schüttelt den Kopf. Dann macht sie sich daran, das restliche Feuer mit einem Tannenwedel zu löschen. Schnaufend und auf den Boden dreschend, redet sie weiter. »Ich habe die Feuerwehrleute völlig verdreckt aus dem Hauptloch kommen sehen. Sie sagten, da war eine Stelle, wo es weitergegangen wäre, aber nur einer von ihnen, der dünnste, passte hindurch. Sie forderten diesen Alexander auf, den dünnen Feuerwehrmann zu begleiten. Aber er war nicht zu bewegen. Ihn kriegt nichts mehr in so eine Scheißhöhle, hat er gesagt und dass man doch sowieso schon nach den Fachleuten telefoniert habe. Da meldete sich ein anderer, der reinwollte, Carsten Siebert, der Jugendleiter. Er fühlt sich für dein Verschwinden verantwortlich. Er hat den Bus voller Kinder allein nach Hause geschickt und mich angerufen und diesen Alexander ausgequetscht und was weiß ich noch alles. Und dann wollte er in die Höhle. Wenn er’s nicht gemacht hätte, wäre ich mit dem Feuerwehrmann reingegangen. So aber konnte ich mich absetzen.«
    »Du bist hierhergekommen und hast ein Feuer gemacht und hast gewartet … Wie hast du wissen können …?«
    »Mutterinstinkt«, lacht sie. Dann packt sie meinen Arm. »Komm jetzt. Wenn hier niemand auftaucht, müssen wir auch nicht warten. Du brauchst eine heiße Dusche und etwas Warmes in den Bauch.Wann hast du zuletzt gegessen?«
    Sie ist wieder normal. Sie ist, wie ich sie kenne. Aber ich weiß jetzt, dass noch eine andere in ihr steckt. Mein Vaterbild stimmt auch nicht mehr; wenn er ein Typ wie Ecke war, kann ich meine Bewunderung zurückfahren. Und sogar ich selbst bin anders, als ich mich bisher kannte.
    Ich glaube, ich muss dieser Horrortour dankbar sein. Aber sie ist für die anderen ja noch nicht zu Ende. Mit einem heißen Stich fällt mir Shelley ein.
    Ich muss sofort zum Haupteingang.

12
    D er Morgen dämmert, als wir den Bauernhof erreichen, neben dessen Stall der Einstieg in den Berg sein soll und wo meine Mutter ihr Auto geparkt hat. Seit vierundzwanzig Stunden bin
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