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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Baby?« Er richtet sich auf, den kaputten Fuß weit von sich gestreckt. »Nimm das sofort mit!«
    Er spielt sich auf, denke ich. Aber da greift Bonni zu und schleudert das erste Stückchen Schokolade in die Lehmpampe. Seine Augen haben einen irren Glanz. Schon packt er das nächste Stück.
    »Halt!«, protestiere ich.
    Wir essen die Schokolade gemeinsam auf. Bonni beginnt auf der einen Seite, ich auf der anderen. Um das letzte Stückchen raufen wir uns.
    Dann sagt Bonni, ich soll meinen lahmen Arsch in Bewegung bringen, und ich ermahne ihn, dasselbe zu tun und sich warm zu halten.
    Er antwortet, indem er wild gegen einen Schatten boxt. Das ist das Letzte, was ich von ihm sehe. Und seinen abgespreizten Fuß ohne Schuh und Socke. Und die Verzweiflung in seinen Augen.

11
    D er Kamin ist nicht zu schwierig, es gibt genügend Unebenheiten. Ich setze die Füße so vorsichtig wie jemand, der frei in einer Wand klettert. Einen Fehler kann ich mir bei aller Eile nicht leisten. Dann leuchte ich durchs Schlitzauge das dunkle Wasser an, auf dem Bonnis Helm wie eine große Nussschale schwimmt. Wenn ich hinunterfalle …
    Ich warte, bis mein rasendes Herz einen Gang zurückgeschaltet hat und die Beine wieder halbwegs funktionieren. Das Schwerste ist, den Rücken an die eine Tunnelwand zu kriegen und die Füße an die andere, ohne vorher abzustürzen. Ich war angeseilt, und Ecke hat mich gezogen, als ich zuletzt hier war, und ich habe nicht im Traum daran gedacht, das verdammte Schlitzauge ein zweites Mal zu passieren.
    Gut, jetzt bin ich nicht angeseilt. Im schlimmsten Fall muss ich schwimmen. Nachdem ich abgetaucht bin wie ein Stein … Nicht daran denken. An Shelley denken. Wenn der mich jetzt sehen könnte!
    »Bonni, hier schwimmt ein Helm!«, rufe ich. »Wer hat denn den verloren?«
    Dann schiebe ich mich durch das Loch. Konzentrieren. Einstemmen. Auf die Lampe aufpassen. Nicht abrutschen. Alle Kraft gegen die engen Wände, nicht hinunterschauen, du schaffst das, Bonni glaubt an dich, Shelley wäre stolz auf dich, du schaffst das, du hast mehr Kraft, als du denkst … Wenn du das geschafft hast, schaffst du auch alles andere …
    Ich klemme zwischen den Felswänden, als hätte mich einer hier eingepasst. Ich presse Rücken, Arme und Füße an. Die Lampe vor meinem Bauch wirft ein zitterndes Licht. Ich fange an, mich seitwärts weiterzuschieben. Der Tunnel ist nicht lang, und ich weiß jetzt, dass ich es schaffen kann.
    Trotzdem brülle ich die Erfolgsmeldung erst, als ich auf meinen Beinen stehe, die ich garantiert nie mehr beleidigen werde.
    Bonni antwortet mit einem Kriegsgeheul.
    Es verklingt, und nach einer Weile glaube ich zu hören: »Martina, bist du noch da?«
    »Ja. Brüll nicht, dann kann ich dich besser verstehen.« Ich hocke im Dunkeln - im Dunkeln! - auf einem Stein und überlege. Ich lasse, so gut es geht, in meinem Kopf die Kriechgänge und ihre Schwierigkeiten zu Bildern werden, die ich in umgekehrter Reihenfolge aneinandersetze. Dabei kommt ein unüberschaubares Labyrinth heraus. Aber an seinem Ende steht der Panikschlupf, und wer das Schlitzauge und den Tunnel geschafft hat, sollte ihn finden können.
    Wenn das Licht nicht ausgeht.
    Das ist der Grund, warum ich im Dunkeln hocke und angestrengt nachdenke und rechne. In meiner Lampe sind Eckes Batterien. Die hatten gestern schon einige Stunden Höhlendienst und heute wieder, ehe die Lampe auf Shelleys Helm schlug. Und danach habe ich sie einige Zeit in meiner Lampe benützt. Wie viel Energie ist noch drin? Ich weiß ja nicht einmal, wie lang solche Batterien überhaupt Strom geben!
    Wenn ich davon ausgehe, dass Shelley und Ecke jetzt ohne Licht dasitzen - und davon will ich ausgehen, um nichts Schlimmeres denken zu müssen -, dann kann es bei mir auch nicht mehr lange dauern. Vielleicht wenn Ecke die Batterien heute Morgen frisch eingelegt hat, was ich nicht weiß …
    Ich komme nicht darum herum. Ich muss es tun. Ich muss es wenigstens versuchen. Im Wasserloch liegen Bonnis Batterien, paarweise in Plastik eingeschweißt, soviel ich gesehen habe. Ich muss sie holen . Wenn die Folie dicht geblieben ist, müssen sie noch funktionieren.
    Ich stehe am Rand des Loches und betrachte abwechselnd meine Füße und das Wasser. Wenn ich wenigstens wüsste, wie tief es ist. Dass ich hier stehe und Licht vergeude, macht mich bis zum Schreien nervös. Hinein!, befehle ich mir. Aber meine Füße sind wie festgewachsen.Vielleicht kann man nicht öfter als zweimal über seinen
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