Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
Vom Netzwerk:
aufgebaut, Dein Vertrauen gewonnen und gewusst, dass es so nicht geht. Trotzdem habe ich die Auswirkungen meiner Lüge verdrängt. Warum habe ich das gemacht? Ganz bestimmt nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Schwäche.
    Es tut mir ehrlich leid, Sara.
     
    Mein richtiger Name ist Robert Weiß.
    Huber, der Name, mit dem ich die Briefe an Dich unterschrieben habe, ist der Nachname meiner verstorbenen Frau. Ja, Du liest richtig. Meine Frau ist vor drei Jahren gestorben. Sie hieß Judith Huber und war Fotografin. Judith ist an den Folgen eines Autounfalls gestorben. Es war ein Montagmorgen, so wie heute. Judith und ich hatten gefrühstückt, sie musste sehr früh zu einem Auftrag. Sie hatte ein Brötchen mit Ei und einen Kaffee zu sich genommen, dann ist sie aufgestanden, hat mich zum Abschied flüchtig geküsst, hat ihre Jacke genommen, ihre Fototasche und ist im Hausflur verschwunden. Ich weiß es noch wie heute: Sie trug eine Jeans, ein grellgrünes T-Shirt mit schwarzem Fadenkreuz drauf und dazu schwarze Turnschuhe. Die Schritte der Schuhe hallten durch den Flur, und ich habe ihnen nachgelauscht, bis die Tür ins Schloss fiel und ich sie nicht mehr hören konnte.
    Ich weiß noch, dass ich froh war, noch eine Stunde für mich alleine zu haben, bevor ich ins Büro musste. Es war ein schönes Gefühl. Ein sonniger Tag. Ich wollte Musik hören und noch einen Kaffee trinken. Also stand ich auf und trat an die Küchenzeile. Im nächsten Augenblick hörte ich draußen einen riesigen Knall und das Geräusch von Metall, das auf Metall kracht.
    Danach war es für einen Moment sehr still.
    Dann folgten aufgeregte Rufe und ein Schrei. Als ich den Schrei hörte, hat sich unter mir ein Loch aufgetan, und ich bin mit einer riesigen Geschwindigkeit nach unten gesaust. Plötzlich war es dunkel um mich herum. Ich fiel und fiel und fiel. Mein Magen drückte sich mir in die Kehle, und mir wurde schlecht. So schlecht, dass ich dachte, ich müsste mich gleich übergeben. Dieses Gefühl hielt den ganzen Fall über an.
    Während ich fiel, muss ich gleichzeitig zum Fenster rausgeschaut und den Unfallort vor unserem Fenster gesehen haben. Ich muss zur Tür raus und auf die Straße gerannt sein. Dort bin ich an den Menschen vorbeigerannt, die sich bereits um den Unfallort versammelt hatten. Ich muss laut den Namen meiner Frau geschrien und dann versucht haben, ihren Körper zu umarmen. So ist es mir später erzählt worden. Ich selbst weiß es nicht mehr. Auch nicht, dass ich offenbar nur eine Unterhose und ein T-Shirt trug.
    Manchmal wache ich nachts schweißgebadet auf und habe die vage Erinnerung an den Körper meiner Frau in meinen Armen. Aber es bleibt nie etwas Greifbares zurück. Ich erinnere mich nur an das Fallen und das Gefühl, wie mir der Magen in die Kehle rutschte.
     
    Warum schreibe ich das alles?
    Ich will in diesem Brief endlich ehrlich sein. Es geht mir nicht darum, Mitleid zu bekommen, sondern Dir einen Einblick in mein wahres Ich zu gewähren. Vielleicht verstehst Du dann, weshalb ich bin, wie ich bin.
     
    Judith und ich kannten uns zu dem Zeitpunkt ihres Todes vier Jahre. Wir hatten im dritten Jahr unserer Beziehung beschlossen zu heiraten. Sie war eine weiche, fast mütterliche Frau. Das komplette Gegenteil meiner eigenen Mutter, die kühl und eher egozentrisch ist. Judith hingegen war bereit, alles für mich zu tun. Und gleichzeitig war sie eine selbständige Frau. Sie machte Kinderfotos für Kataloge und war dabei durchaus erfolgreich.
     
    Ich will hier aber auch aufführen, was mir beim Schreiben die Kehle zuschnürt: Ich weiß nicht, ob Judith meine große Liebe war. Ich bezweifele es sogar. Vielleicht hätte sie es sein können, wenn ich mich ihr gegenüber geöffnet hätte, so wie ich es jetzt bei Dir versuche.
    Ich habe Judith bei unserer ersten Begegnung ehrlich gesagt nicht besonders toll gefunden. Wir haben uns auf einer Geburtstagsfeier kennengelernt. Ich war Single, und sie schien mich zu mögen, das hat mir damals gereicht. Wir sind ein paar Abende später zusammengekommen. Ich hatte das Gefühl, es wäre richtig, sie zu heiraten. Bei der Hochzeit habe ich geheult, als ich sie in ihrem weißen Kleid sah. Danach hat sie nie wieder eine Träne von mir gesehen. Leider. Denn mehr Gefühle habe ich nicht zugelassen. Ich hatte nie gelernt, mich jemandem zu öffnen. Im Gegenteil.
     
    Mit 13 Jahren habe ich meinen Vater verloren. Er war Alkoholiker. Als ich 15 war, hat meine Mutter neu geheiratet, und ich

Weitere Kostenlose Bücher