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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher
Autoren: Howell Morgan
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ereignet hat.«
    »Ich weiß nur, was die Ausrufer verkünden«, antwortete Tagg ausdruckslos. »Der König ist tot. Es heißt, du hast ihn getötet und bist dann selbst ums Leben gekommen. Königin Girta herrscht jetzt im Namen ihres Sohnes.«
    »Und die sogenannte Ork-Königin? Dieses Mädchen? Was ist aus ihr geworden?«
    »Sie ist zu den Pissaugen gegangen. Gestern Abend ist sie mit einem Gardisten fortgeritten.«
    »Sie lebt noch?«
    »Ja, das sagen jedenfalls die Ausrufer.«
    Sobald Othar diese Nachricht hörte, flammte seine Wut erneut und noch rasender auf. Sein gesamtes Denken richtete sich auf eins: Dars Vernichtung. Er malte sich für sie Foltern von ausgesuchter Grausamkeit und Dauer aus. Nur Zorn tobte noch in seinem Gemüt. Es gab für ihn nichts mehr als das Ziel seines Hasses.
    Als sein Wutanfall verflogen war, sah er, dass Tagg ausgestreckt auf dem Boden lag. Seine Finger und die Nägel waren blutig. Aus seinem Gesicht und der Kehle gerissene Fleischfetzen lagen neben ihm. Es hatte den Anschein, dass er die Hassphantasien des Zauberers ausgelebt und sich mit bloßen Händen umgebracht hatte.
     
    Naggel hatte wohl Schwierigkeiten gehabt, einen Karren zu stehlen, denn es war fast Morgen, als er zur Leichengrube zurückkehrte. Othar hatte ihn so vollständig in der Gewalt, dass er sich um Taggs Leichnam mal nicht scherte. Er hob Othar auf den Karren und wartete auf neue Anweisungen.
    »Bring mich zu Taggs Wohnsitz«, sagte Othar.

    Naggel zog den Karren in Richtung eines Viertels, in dem Taibens ärmste und heruntergekommenste Bürger ihr Zuhause hatten: eine Ansammlung niedriger Elendshütten außerhalb der Stadtmauer.
    Während die Karrenräder über den zerfurchten gefrorenen Schlamm holperten, dachte Othar über seinen Niedergang nach. Vor zwei Tagen war er noch der geachtete und gefürchtete Zauberer des Königs gewesen – die eigentliche Macht hinter dem Thron. Und jetzt bin ich die Fracht auf einem gestohlenen Karren. Doch trotz seines verkohlten Leibes und seiner unseligen Entmachtung hatte er nicht nur verloren, sondern auch etwas gewonnen. Durch Vorgänge, die er nicht verstand, hatte er die Fähigkeit erlangt, fremde Gedanken zu erkennen und den Geist anderer Menschen zu beherrschen. So sollen denn künftig andere meine Werkzeuge sein.
    Othar überlegte, welches Ausmaß seine neue Gabe wohl hatte. Beim Anblick des abscheulichen Elendsviertels schlussfolgerte er, dass hier die geeignete Umgebung sein könnte, um es herauszufinden. Hier wird bestimmt kein Verschwundener vermisst.
    Naggel unterbrach seine Erwägungen, da er vor einer erbärmlichen Kate hielt. »Wir sind da, Herr.«
    Ehe Othar eine Antwort geben konnte, stürzte ein schlampiges Weib zur Tür heraus. »Naggel, du Hundsfott, wo ist Tagg?« Ihr Blick fiel auf den Karren. »Was karrst du da für ’ne Scheiße an?« In der trüben Dämmerung verschmolz Othars verkohltes Gesicht wohl mit seinem schwarzen Gewand, sodass die Frau erst zurückschrak, als sie ihm unversehens in die Augen schaute. »Bei Karms heiligem Arsch! Was ist denn das ?«
    »Ich bin dein Herr«, antwortete Othar leise und kehlig.
Und kaum hatte er den Satz gesprochen, war sein Wort Wirklichkeit geworden. »Sei mir zu Diensten, Moli.«
    Es wunderte das Weib nicht im Geringsten, dass der grausige Fremdling ihren Namen kannte. Ohne Umschweife half die Frau Naggel, den Zauberer vom Karren in die Kate zu tragen, in der ein Feuerchen mehr Qualm als Wärme verbreitete. Sie betteten Othar auf eine verdreckte Matte. Moli kam mit einem Laib Hartbrot, den sie Othar reichen wollte, doch dann sah sie, dass ihm die Hände fehlten. Ihr stumpfer Blick zeigte keine Überraschung oder andere innere Regung. Sie stand nur wieder auf und holte einen Topf kalter, dünner Suppe. Dann brach sie von dem Laib ein Stück Brot ab, tauchte es in die Suppe, bis es weich war und schob es Othar in den Mund.
    Als Molis Finger Othars Lippen berührten, packte ihn plötzliche Gier. Dieses Lechzen war für ihn ebenso neu wie seine Macht über andere Seelen. »Schneide dich«, raunte er Moli zu. »Lass das Blut in die Suppe fließen.«
    Sofort zückte Moli aus einer Tasche ihres zerfransten Kittels ein Messerchen und schnitt sich das Handgelenk auf.
    Hungrig schaute Othar zu, wie der rote Blutfluss die Suppe rosa färbte. Der nächste Bissen Brot mundete ihm, nachdem der Brocken in die blutige Suppe gestippt worden war, wesentlich besser. Es hätte Othar Vergnügen bereitet, Moli verbluten zu sehen,
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